Roter Faden bei der Prozessmodellierung

23.04.2007

Wer schon einmal Prozessmodelle erstellt hat, kennt die Problematik. Wie werden Abläufe korrekt beschrieben? Gerade bei semiformalen Modellierungssprachen wie der EPK bleibt dem Modellierer eine gewisse Freiheit. Grundsätzlich geht es um die Frage, ob zwei Modellierer den gleichen Sachverhalt identisch modellieren würden. Parallel dazu stellen sich weitere Fragen, etwa nach dem richtigen Detaillierungsgrad, einem ausgewogenen Verhältnis von Aufwand und Nutzen, oder nach dem Verständnis der Modellanwender.

Sie werden mir sicher bestätigen, es kommt praktisch nicht vor, dass zwei Modellierer identische Modelle vom gleichen Sachverhalt erstellen. Das liegt vor allem daran, weil die Erstellung von Modellen nicht nach einem fest definierten Schema abläuft. Etwas überspitzt ausgedrückt geht es beim Modellieren mehr um die „Konstruktion eines Modells“ als um das „Lösen einer mathematischen Gleichung„.

Grundsätze ordnungsgemäßer Prozessmodellierung

Wonach soll man sich dann als Modellierer richten? Sicher, die einzelnen Modellarten geben eine gewisse Syntax vor. Die ist aber häufig nicht ausreichend, um qualitativ hochwertige Modelle zu erstellen. Aus diesem Grund wurden in Anlehnung an die „Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung“ sechs Richtlinien für die Erstellung von Informationsmodellen definiert. Sie sind als Gestaltungsempfehlung für qualitativ hochwertige Modelle zu sehen.

Grundlagen ordnungsgemäßer Modellierung 1. Grundsatz der Richtigkeit
Der Grundsatz der Richtigkeit kann auf zwei Ebenen betrachtet werden. Die semantische Richtigkeit fordert, dass die Modelle den realen Sachverhalt stimmig wiederspiegeln. Wohingegen die syntaktische Richtigkeit den korrekten Methodeneinsatz fordert.

2. Grundsatz der Relevanz
Modelle reduzieren die Komplexität von realen Weltausschnitten. Nach dem Grundsatz der Relevanz sollten im Modell wichtige Sachverhalte abgebildet werden, unwichtige hingegen erschweren die Lesbarkeit des Modells. Sie müssen nicht abgebildet werden.

3. Grundsatz der Wirtschaftlichkeit
Betriebswirtschaftlich gesehen ist dies eine logische Forderung: Der Aufwand für die Modellerstellung sollte den Nutzen des Modells nicht überschreiten. Gerade zur Auswahl des richtigen Detailierungsgrades gewinnt der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit an Bedeutung.

4. Grundsatz der Klarheitprozess_neukundengewinnung
Der Grundsatz der Klarheit zielt auf die Anschaulichkeit und Strukturiertheit der Modelle ab. Gefordert werden verständliche Modelle, die gut lesbar sind. So einfach wie möglich, so kompliziert wie nötig sollen die Modelle sein.

5. Grundsatz der Vergleichbarkeit
Die syntaktische Vergleichbarkeit von Modellen, die mit der gleichen Methode erstellt wurden, ist dann gewährleistet, wenn zuvor definierte Modellierungskonventionen eingehalten wurden. Modelle, die mit unterschiedlichen Modellierungsmethoden erstellt wurden, sind dann vergleichbar, wenn die zu Grunde liegenden Metamodelle gegenseitig adaptiert werden können. Dies ist beispielsweise bei ereignisgesteuerten Prozessketten (EPK) und Petri-Netzen der Fall.

6. Grundsatz des systematischen Aufbaus
Nach dem ARIS Ansatz werden verschiedene Sichten modelliert. Der Grundsatz des systematischen Aufbaus der Modelle zielt darauf ab, dass eine sichtenübergreifende Konsistenz der Modelle hergestellt werden kann. Konkret heißt das, dass die Organisationseinheit, die in der EPK modelliert wurde, auch im Organigramm wiedergefunden werden kann.

 

Kritische Betrachtung

Werden die Grundsätze ordnungsgemäßer Modellierung genauer betrachtet, so fällt auf, dass es sich dabei lediglich um Empfehlungen und Richtlinien handelt. Sie alle bietet einen gewissen Interpretationsspielraum. Aus diesem Grund ist es auch schwierig exakt festzustellen, ob die Grundsätze vollständig eingehalten wurden.
Die einzelnen Grundsätze sind teilweise sehr vage formuliert. Für mich stellen sich Fragen wie, wann wurde dem Grundsatz der Richtigkeit entsprochen?, Kann dies geprüft werden?.

Dennoch bin ich persönlich der Meinung, dass die Grundsätze ordnungsgemäßer Modellierung ihre Daseinsberechtigung haben. Man sollte sie mehr als Empfehlungen oder Denkanstöße für Modellierer und Modellanwender verstehen. Beide Seiten müssen sich über Kriterien einigen, die ein qualitativ hochwertiges Modell ausmachen. Dies kann im Vorfeld der eigentlichen Modellierung erfolgen. Im Beitrag „Vorgehen zur Prozessmodellierung“ habe ich dazu einige wichtige Punkte aufgeführt.

 

Die doubleSlash Anforderungsanalyse

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4 Kommentare zu “Roter Faden bei der Prozessmodellierung

  1. Hallo Fr. Niemeier,

    natürlich gibt es wie immer Vor- und Nachteile mit bestimmten Werkzeugen wie ARIS oder VISIO zu modellieren.
    Der Schlüssel zum schnellen Erfolg liegt häufig in der Einfachheit und nicht wenige geben dem Kommentar von Krischa sehr recht, ich gehöre auch dazu und schätze als Gelegenheitsmodellierer diese Einfachheit mit Visio enorm. Kollegen modellieren allerdings auch Kundenprojekte mit ARIS und sind nicht weniger begeistert, da es dort um sehr umfangreiche Modelle mit vielen Schnittstellen zu Partnern geht.

    Schönen Gruss
    Oliver

  2. Wer in ARIS nicht modellieren kann, hat die Modellierung nicht korrekt verstanden. Alles was man für eine gute und sinnvolle Modellierung braucht, ist in ARIS vorhanden.

  3. Sgt. Hr. Neher,
    keiner der genannten Grundsätze fusst auf theoremischen Erkenntnissen, sondern scheint mir eher das zu sein was ein erfahrener Modellierer im Säckchen haben muss. Das ist z.B. in ARIS schlecht gelöst.

    Wenn ich richtig verstehe, modellieren sie mit Visio und somit ohne Regeln. Bleiben sie dabei, das ist besser wie das viel zu komplizierte ARIS.

    Gruss aus München
    Krischa Niermann

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