Usability – So einfach wie möglich

14.10.2014

iStock © Cindy Singleton„So einfach wie möglich. Aber nicht einfacher!“ Dieses Zitat von Albert Einstein wird gerne im Zusammenhang mit Usability genannt. Es beschreibt in wenigen Worten den Inhalt der Norm ISO 9241-11, nämlich das Ausmaß in dem ein Produkt von bestimmten Benutzern, in einem bestimmt Kontext verwendet werden kann, um ein bestimmtes Ziel, effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen. Im Kern steht also der User im Mittelpunkt. Auf ihn sollten Bedienbarkeit und Design ausgerichtet sein, damit er sich optimal in der Anwendung zurecht finden kann und so schnell wie möglich sein gewünschtes Ziel erreicht. Die Beachtung der Usability findet leider heute noch bei vielen Softwareprodukten keine oder zu wenig Beachtung. Grund hierfür sind die Ansichten vieler im Unternehmen, im Projekt und an dem Entwicklungsprozess Beteiligter, die es davon zu überzeugen gilt.

 

Usability? Brauchen wir nicht – oder doch?

Es gibt jede Menge Gründe GEGEN Usability und oft werden die Argumente nur sehr kurzsichtig betrachtet.

Zunächst ist da die Geschäftsleitung, die der Ansicht ist, dass Usability keinen deutlichen Mehrwert bietet, da sich das Softwareprodukt ja auch so verkaufen lässt. Unterstützt wird sie dabei vom Controlling, welches Usability häufig zu teuer findet und damit das dafür einzusetzende Budget sehr schnell in Frage gestellt wird.

Das Marketing will unter Umständen gar nicht, dass alles einfacher wird. So soll doch der Anwender möglichst lange treuer Kunde bleiben und den Weg aus dem Produkt gar nicht so schnell finden.

Designer finden ihr Design meistens sowieso wunderschön und nutzerfreundlich.

Und zu guter Letzt sträuben sich die Entwickler oft gegen Veränderungen, da es doch läuft.

Usabilityexperten in Unternehmen spüren also eine Menge Gegenwind und sehen sich mit vermeintlichen Gegenargumenten konfrontiert, die es zu überwinden gilt. Es bedarf viel Überzeugungsarbeit für die Etablierung von Usabilitykonzepten und deren Einhaltung. Dabei gibt es eine Reihe guter und schlüssiger Argumente, die Usability unabdingbar und damit zu einem mehrwertstiftenden Element bei Unternehmen und deren Kunden machen.

Reduktion von Entwicklungskosten

Da im Vorfeld der Anwendungskontext exakt ermittelt wird, verfügt das Softwareprodukt über genau den passenden Funktionsumfang. Damit kann unnötige Entwicklungszeit eingespart werden, da unnötige Korrekturschleifen und Anpassungen entfallen.

Laut Barker [1] kann der Einsatz von Usability Engineering – die vier wichtigsten Gründe für höhere Ausgaben in IT-Entwicklungsprojekten – verhindern.

  • Häufige Änderungsvorschläge durch Benutzer
  • Übersehene Aufgabenstellungen
  • Fehlendes Wissen des Users über die eigenen Anforderungen an das Produkt
  • Unzulängliche Kommunikation zwischen Benutzern und Entwicklern

Beispiel 1: Usability-Engineering reduzierte Entwicklungszeiten um 40 % in einem amerikanischen High-Tech-Unternehmen. [2]

Beispiel 2: Ein Hauptziel effektiver Usabilityprozesse ist, die Entwicklungszeit eines Softwareproduktes zu beschleunigen. Eine Verzögerung der Markteinführung um 25 % z.B. durch fehlende Usabilitykonzepte, kann zu einem Gewinnverlust von bis zu 50% führen. [3]

Erhöhung des Produktabsatzes

Berühmtestes Beispiel für eine kleine Änderung im Rahmen von Usabilitymaßnahmen ist der „$300 Million Button“. Bei ihm wurde die Funktionalität nach Benutzungstests und Analysen der Kundendatenbank geändert. Denn die Untersuchungen ergaben, dass 45% der Benutzer mehrere Accounts besaßen und dass das System bis zu 160.000 Passwortanfragen pro Tag erhielt. Davon wiederrum schlossen 75% der Benutzer, die ein Passwort angefordert hatten, den Einkauf nicht ab. Als Konsequenz der Erkenntnisse wurde die Funktionalität des Buttons so geändert, dass der Benutzer seinen Einkauf ohne eine Registrierung fortsetzen konnte. Eine Registrierung wurde erst am Ende des Kaufprozesses angeboten.Diese kleine Maßnahme erhöhte die Einkaufsrate um 15% und brachte dem Unternehmen bereits im ersten Monat zusätzliche $15 Millionen ein. Und im ersten Jahr erwirtschaftete das Unternehmen $300.000.000 zusätzlich. [4]

Verbesserung der Arbeitsqualität im Unternehmen

Usability hilft Mitarbeitern neues Wissen schneller aufzubauen und dauerhaft zu behalten und zu nutzen. Zudem führt sie zu einer Steigerung der Produktivität und Minimierung von Fehlern.

Beispiel: Das Redesign einer Unternehmens-Software, mit welcher die Mitarbeiter 1 308 000 Aufgaben (tasks) pro Jahr bewältigen, führte zu einer durchschnittlichen Zeitersparnis bei der Bearbeitungsdauer von 9,6 Minuten pro Aufgabe, was eine Gesamtzeit von 209 280 Stunden ergibt. Die Einsparungen aufgrund der Produktivitätssteigerung beliefen sich in Verrechnung mit der Produktivitätsrate3 und den Personalkosten auf 8,16 Millionen Euro. Die Investition in Usability betrug dafür ca. 80 000 €, was ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von 1€ : 100€ entspricht. [5]

Reduktion von Supportkosten

Durch die frühzeitige Erkennung und Vermeidung von kritischen Nutzungsmomenten (Usabilityprobleme) können die Kosten für Support-Hotlines gesenkt werden.

Beispiel: Ein realistisches Kosten-Nutzen-Beispiel [6]:

  • Durchschnittliche Kosten pro Supportanruf = 240 €;
  • 200. 000 Exemplare eines Softwareproduktes (Version 1) verkauft
  • Supportanrufe aufgrund von Usability Problemen = 580. 000 à Kosten (240€/Anruf) = 139. 200. 000 €
  • Supportanrufe pro verkauftem Produkt = 2,9
  • Redesign: Usability-orientierte Überarbeitung der Version 1
  • 300. 000 Exemplare der Version 2 verkauft
  • Supportanrufe = 260. 000 à Kosten = 62 400 000 €
  • Supportanrufe pro verkauftem Produkt = 0,87 à Reduzierung der Supportanrufe um -2,03/Produkt
  • Kosteneinsparung durch verbesserte Usability = 2.03 x 300. 000 x 240€ = 146. 160. 000

 

Fazit

Usability sollte so einfach wie möglich sein, aber nicht einfacher. Der Ansatz, den Nutzer in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen und ein Softwareprodukt an der bedürfnisorientierten und zielgerichteten Nutzung auszurichten, ist einer der wichtigsten Faktoren für den Erfolg dieses Produktes. Damit ist Usability eine wichtige Drehschraube für Kosten und Umsatz, die nachhaltig betrachtet auch die hartnäckigste Zweifler überzeugen sollte. Zum einen kann dadurch im Unternehmen viel Geld gespart werden und zum anderen sind zufriedene Nutzer nachhaltig dankbar, da man sie in das Zentrum der Bemühungen stellt. Das zeigt sich vor allem in Produktbindung und Weiterempfehlungen.

 

 


 

Quellen:

Beispiele wurden dem Dokument „Usability vermarkten“ der Hochschule Zitau/Görlitz entnommen (http://ikaros-projekt.de/):

[1] Barker, 2000.

[2] Ehrlich & Rohn, 1994.

[3] Karat, 1994.

[4] 2009; http://www.uie.com/articles/three_hund_million_button/).

[5] Karat, 2005.

[6] Rohn, 2005.

[7] Bildquelle: iStock © Cindy Singleton 

Zurück zur Übersicht

Ein Kommentar zur “Usability – So einfach wie möglich

  1. Ein weitere Ursache für mangelnde Usabilty ist, dass sie meistens einfach vorausgesetzt wird, wie auch generell Softwarequalität.
    Doch gute Usabilty muss kein Zufall sein. Sie ist ein Hygienefaktor, der von Beginn an ausreichend Beachtung geschenkt werden muss.
    Ein Projektleiter tut gut daran, zu fragen, wer im Projekt dafür verantwortlich ist und dabei ein Auge auf das gesamte Anwendererlebnis hat.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*Pflichtfelder

*