Barrierefreiheit in Web-Anwendungen

11.04.2013

Barrierefreiheit bei Web-AnwendungenWenn ein Bürger, der visuelle, motorische oder akustische Handicaps hat, etwas im Lebensraum selbständig und weitgehend ohne fremde Hilfe benutzen kann, betrachtet man dies im Allgemeinen als Barrierefreiheit.

Warum Barrierefreiheit?

In der Informatik spielt die Barrierefreiheit eine immer größer werdende Rolle, da die Verbreitung von Computern und Internet laufend zunimmt. Sie schafft Arbeitsplätze und unterstützt die soziale Inklusion für Menschen mit Behinderung.

Barrierefreiheit für Anwendungen hilft dabei nicht nur Bürgern mit Handicaps, sondern verbessert auch die Ergonomie für nicht eingeschränkte Benutzer. Wird bspw. eine durchgehende Tastatursteuerung unterstützt, können durch die Nutzung von „Tab“ und „Enter“ bestimmte Aktionen schneller als mit der Maus durchgeführt werden. Die Tastatursteuerung wird von fortgeschrittenen Benutzern gerne genutzt, was die Akzeptanz barrierefreier Anwendungen erhöht.

Herausforderungen bei der Umsetzung

Die Herausforderung bei der Umsetzung barrierefreier Web-Applikationen oder E-Commerce Anwendungen ist vor allem die, den Nutzern der Anwendung dadurch keine Einschränkungen wie beispielsweise der Verschlechterung der Performance zu bereiten. Es sollte u. a. auch sichergestellt werden, dass nicht mehr Klicks für eine Aktion benötigt werden wie sonst üblich. Ebenso ist es eine Kunst ein Design zu gestalten, welches von allen Nutzerkreisen akzeptiert wird und qualitativ hochwertig in ein entsprechendes Markup gegossen werden kann. Hierbei wird durch kreativen Umgang mit den Gestaltungsregeln des barrierefreien Webdesigns das Informationsangebot entsprechend aufbereitet, was nicht nur für den eingeschränkten Nutzerkreis hilfreich ist. Beispielsweise ermöglichen Tooltipps auf Bilder oder auf speziellen Funktionsknöpfen einen Informationsgehalt, der durchaus auch für nicht eingeschränkte Nutzer hilfreich sein kann. Nicht unterschätzen darf man jedoch die nachträgliche Erweiterung eines bereits jahrelangen etablierten Produktes für den barrierefreien Einsatz. Hierbei kann es sich als schwierig erweisen, eine Applikation nachträglich zu erweitern. Bereits im Vorfeld getroffene Entscheidungen bezüglich den zu verwendenden Frameworks, können unter Umständen ein Problem bei der Umsetzung der Barrierefreiheit darstellen, da diese durch ihren meist nicht WAI-ARIA-Konformen Aufbau die Implementierung deutlich erschweren. Zwar können zum Beispiel im Falle des Javascript-Frameworks extJS Erweiterungen für die einzelnen Module gestrickt werden, sie müssen aber entsprechend tief ins Framework eingreifen, um dieses zu verändern.

Herausforderung Screenreader

Screenreader sind komplexe und umfangreiche Programme, die Inhalte des Bildschirms in Sprache oder Blindenschrift umwandeln. Entwickler, die einen Screenreader für Testzwecke einsetzen, sollten die Einarbeitung und den Funktionsumfang nicht unterschätzen. Aufgrund der Komplexität empfiehlt es sich sogar, externe Experten für die Entwicklung barrierefreier Anwendungen heranzuziehen. Um bestimmte Bereiche einer Anwendung auch mit Handicap zu erreichen, sind Tastenkombinationen (sog. Shortcuts) sehr hilfreich. Die Problematik dabei ist, dass Screenreader in der Regel sehr viele Tastenkombinationen in den Standardeinstellungen verwenden und den Entwicklern standardmäßig wenig gängige Tastenkombinationen für ihre Anwendungen bereitstellen. Abhilfe können eigene Anwendungsprofile schaffen, welche für die jeweiligen Screenreader konfiguriert werden und dementsprechend mit ausgerollt werden können. Allerdings bindet man sich hierbei an einen bestimmten Screenreader.

Die ARIA-Guideline

Das Befolgen einfacher Richtlinien unterstützt hierbei die verwendeten Screenreader enorm. Diese Richtlinien werden vom W3C Konsortium bereitgestellt und umfassen folgende Punkte:

  • Gleichwertige Alternativen für Audio- und visuellen Inhalt bereitstellen.
  • Farben nicht als alleiniges Merkmal nutzen.
  • Die korrekte Verwendung von Markup und Stylesheets.
  • Verwendung natürlicher Sprache verdeutlichen.
  • Tabellen, die geschmeidig transformieren einsetzen.
  • Sorgen Sie dafür, dass Seiten, die neue Technologien verwenden, geschmeidig transformieren.
  • Zeitgesteuerte Änderungen des Inhaltes unter die Kontrolle des Benutzers stellen.
  • Eingebettete Benutzerschnittstellen direkt zugänglich machen.
  • Ein geräteunabhängiges Design verwenden.
  • Interim-Lösungen verwenden.
  • W3C-Technologien und –Richtlinien einhalten und verwenden.
  • Informationen zum Kontext und zur Orientierung bereitstellen.
  • Klare Navigationsmechanismen bereitstellen.
  • Dokumente klar und einfach halten.

Werden die oben genannten Punkte bei der barrierefreien Umsetzung von Anfang an mit eingeplant, kann mit einfachen Mitteln die Anwendung für den Einsatz von Screenreader oder der Braillezeile (Blindentastatur) bedienbar gehalten werden.

Tests barrierefreier Anwendungen

In größeren Applikationen ist es gerade bei Integrations- und Systemtests aus Budget- und Zeitgründen nicht möglich, alle Szenarien hinsichtlich der Barrierefreiheit zu testen. Hier sollte ein Kompromiss aus Kosten und Nutzen eingegangen werden. Wichtig dabei ist, dass die am häufigsten genutzte Funktionen, sowie Funktionen, die bei Nichtfunktionalität den wirtschaftlich höchsten Schaden verursachen könnten, mit einer höheren Priorität getestet werden.

Hinsichtlich der Weiterentwicklung von barrierefreien Anwendungen ist zu beachten, dass bei neuen Funktionalitäten die Barrierefreiheit mitgetestet wird und die bereits bestehende Barrierefreiheit in Form von Regressionstests sichergestellt wird.

Schlusswort

Abschließend ist zu erwähnen, dass nicht nur für Web-Anwendungen oder E-Commerce Applikationen eine barrierefreie Umsetzung in Betracht zu ziehen ist. So sollten die heutzutage immer wichtiger werdenden digitalen Touchpoints barrierefrei zugänglich gemacht werden. Dies erhöht nicht nur die Ergonomie der Touchpoints, sondern auch die Akzeptanz in den verschiedenen Nutzerkreisen.

Von den Autoren: Christof Glenc und Vincenzo Crimi

 

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