Das Project Management Office – in Zeiten von Agilität noch sinnvoll?

23.11.2020

Digitalisierung wird zunehmend wichtiger und erfordert Kompetenz in der Softwareentwicklung. Und da Software in Projekten entwickelt wird, wird das professionelle Projektmanagement zu einem kritischen Erfolgsfaktor.

Wir bei doubleSlash haben uns daher überlegt, wie wir unser Projektmanagement noch weiter professionalisieren können und welche Rolle ein Project Management Office (PMO) dabei spielen kann.

Kann ein Project Management Office zur operativen Entlastung unserer Software- Projektleiter sinnvoll sein?

Was auf den ersten Blick nach einer guten Idee aussieht, weckt auf den zweiten Blick bei dem einen oder anderen eher Zweifel. Ein PMO ist vor allem im klassischen Projektmanagement bekannt und wird direkt mit der Wasserfallmethode assoziiert. Vor allem Software-Unternehmen arbeiten jedoch fast ausschließlich nach agilen Methoden, wie beispielsweise SCRUM. Da stellt sich die Frage, ist ein PMO überhaupt noch zeitgemäß und mit Agilität kompatibel? Was auf jeden Fall bejaht werden kann – professionelles Projektmanagement ist nach wie vor ein wichtiger Erfolgsfaktor.

 

Projektmanagement bei doubleSlash – Hintergrund und Ausgangslage

Schon seit zehn Jahren widmen wir uns kontinuierlich der Professionalisierung und Weiterentwicklung unseres Projektmanagements. Kompetenzentwicklung, Wissensaustausch, Standardisierung und Coaching sind zentrale Bausteine in unserem „Center of Competence Project Management“. Für Projekt Manager gibt es einen eigenen Fachkarrierepfad. Mit unserem „Project Management Toolkit“ haben wir einen Werkzeugkasten für alle Projekt Manager aufgebaut. Hand in Hand geht dieser Werkzeugkasten mit unserer „Software Creation Chain“, in der wir unser „BizDevOps Vorgehensmodell“ abbilden. All diese bei uns dezentral organisierten Elemente werden in der Literatur häufig einem PMO zugeordnet.

Die operative Anwendung und projektspezifische Weiterentwicklung unserer PM-Methoden und Tools liegt jedoch zu 100% in den Projekten selbst. Bei uns sehen wir daher die Herausforderung, die entwickelten Artefakte und Vorgehensweisen so zu operationalisieren und individuell auf die Kundenprojekte zuzuschneiden, sodass im Kundenkontext das Rad nicht mehrfach erfunden wird. Und das soll wiederum unsere Projektleiter entlasten.

 

Die Problematik des Begriffs „PMO“ – Ein gemeinsames Verständnis schaffen

Betrachten wir den Begriff PMO genauer, erkennen wir schnell, dass PMO nicht gleich PMO ist. Und vor allem ist PMO nicht gleich PO.

Auch wenn das PMO oft dem PO (= Project Office) gleichgesetzt wird, gibt es einen größeren Unterschied als nur das fehlende „M“. Ein PO ist ausschließlich einem einzelnen Projekt zugeordnet und besteht temporär. Das PMO hingegen agiert für eine Vielzahl an Projekten und stellt eine dauerhafte Komponente im Unternehmen dar. Dennoch kann ein PMO die Aufgaben eines PO ebenfalls übernehmen.

Drei Gründe, warum ein unternehmensinternes Verständnis unter dem Begriff PMO wichtig ist:

  • Die Abkürzung PMO steht nicht nur für Project Management Office, sondern z.B. auch für „Program Management Office“ oder „Projektportfolio Management Office“.
  • Unter PMO kann zum Teil das gleiche wie unter „Zentrale Projektsteuerung“, „Head of Project Management“ oder auch „Portfoliomanagement“ verstanden werden.
  • Es gibt verschiedene Formen und Arten eines PMO. Sowohl hinsichtlich der organisatorischen Einbettung als auch deren Funktion. Daher kann ein PMO in jeder Organisation völlig anders umgesetzt und verstanden werden.

Speziell bei doubleSlash ging es uns um eine operative Unterstützung mit dem Ziel, die Projektleiter zu entlasten. Das PMO soll für die Anwendung der Projektmanagementprozesse, -standards und -methoden in der Praxis sorgen, und somit dem CoC praxisnahes Feedback geben. Um dieses Ziel umsetzen zu können, untersuchten wir zunächst den möglichen Einsatz eines PMO auf Projekt- bzw. Programmebene (organisatorische Einbettung). Ein solches PMO hat einen starken Supportcharakter und ist für das Controlling mehrerer einzelner Projekte zuständig. Hinsichtlich der Einordnung nach Funktion und somit der Abgrenzung des Aufgabenbereichs, zogen wir ein steuerndes, also ein „Controlling“-PMO in Betracht. Dabei ist das „steuernd“ nicht als Kontrolle, sondern als Unterstützung des Projektleiters in der Projektsteuerung zu sehen. Das von uns anvisierte PMO ist nicht zu verwechseln mit dem „Supportive-PMO“, welches rein beratend agiert und nicht operativ.

 

Für welche Projekte eignet sich der Einsatz eines PMO – eine Übersicht

Bei unserer Untersuchung eines möglichen „doubleSlash PMO“ haben wir uns auf die Unterstützung von Kundenprojekten konzentriert. Das PMO soll den Projektleiter entlasten und sich über die für Projektmanagement im Kundenauftrag vorgesehenen Margen finanzieren. Somit erzeugt es keine „Gemeinkosten“, sondern einen direkten Wertbeitrag für die Kundenprojekte. Deswegen haben wir unsere Projektleiter gefragt, in welchen Projekten sie sich eine Unterstützung durch ein PMO vorstellen könnten und wie diese aussehen kann. Dabei wurde nicht speziell zwischen agiler und klassischer Vorgehensweise unterschieden, da hier keine Unterschiede festgestellt wurden.

 

Nach Kundenart Neukunden
  • PMO kann eigene Erfahrung mit einfließen lassen
  • Kann Kunden helfen, ein professionelles Projektmanagement einzuführen
Bestandskunden
  • PM-Methoden an die jeweiligen Kundenstandards anpassen
  • Synergieeffekte ableiten, durch wiederholbare Strukturen bei Keykunden
Nach Projektgröße Kleine Projekte
  • Zentrales PMO, welches für mehrere Projekte gleichzeitig agiert
  • Erfordern i.d.R. höhere fachliche Integration des Projektleiters, dadurch eher allgemeine Projektmanagementaufgaben für das PMO
  • Wenig Budget für Projektmanagement vorhanden
  • Bei Einzelprojekten, z.B. Designer im Frontendbereich, übernehmen diese oft selbst das Projektmanagement
Mittelgroße Projekte
  • PMO wahlweise auch nur phasenweise im Einsatz (temporärer Einsatz)
  • Projektleiter kann sich auch nur bei Bedarf Hilfe holen
Große Projekte
  • Oft ein hohes Maß an Komplexität
  • PMO kann dabei unterstützen, frühzeitig Herausforderungen zu erkennen und PM-Methoden an diese anzupassen
  • Zwei Möglichkeiten:
    • Einzelner PMO-Mitarbeiter wird fester Bestandteil im Projekt
    • Gesamtes PMO agiert als Serviceteam bei Bedarf

Generell kann ein PMO jede Art von Projekt unterstützen. Dabei ist für einen wertstiftenden Einsatz immer der Nutzen des PMO im Verhältnis zum Einarbeitungsaufwand in sehr kundenspezifische Vorgehensmodelle zu berücksichtigen.

 

Wichtigster Erfolgsfaktor: Die Akzeptanz des PMO in der Organisation

In vielen Organisationen haben PMO mit der Akzeptanz im Unternehmen zu kämpfen. Zum Beispiel wird es als zusätzlichen bürokratischen Verwaltungsaufwand in Projekten gesehen, ohne dabei sichtbare Vorteile im Projekterfolg beizusteuern. Dem PMO fällt es dadurch schwer, seinen wahren Nutzen zu demonstrieren und im Unternehmen an Dynamik zu gewinnen.1

Weitere Gründe für die Nicht-Akzeptanz können das Gefühl der Fremdkontrolle durch das PMO oder eine nicht ausreichende Vermarktung innerhalb des Unternehmens sein.

Um von Beginn an solchen Problemen vorzubeugen, ist ein klar definiertes und offen kommuniziertes Aufgabengebiet notwendig. Auch ob die Idee des PMO aus einem Bottom-Up- oder Top-Down-Ansatz entstand, spielt eine Rolle. Der Bottom-Up-Ansatz ist meist deutlich schwerer im Management durchzusetzen, führt aber in der Regel von Anfang an zu mehr Akzeptanz im Unternehmen und bei den einzelnen Mitarbeitern. Beim Top-Down-Ansatz hingegen, greift schnell wieder das Gefühl der Fremdkontrolle.

Die Durchführung einer Erfolgsmessung ist eine Möglichkeit zur nachhaltigen Akzeptanzsteigerung. Je nachdem, welches Ziel die Einführung eines PMO hat, sollten entsprechende KPIs abgeleitet werden. Mögliche KPIs sind zum Beispiel:

  • Anzahl umgesetzter Projekte mit Unterstützung des PMO im Vergleich zu Projekten ohne PMO-Unterstützung
  • Vergleich von geforderter Leistung und gelieferter Leistung in Projekten mit PMO-Einsatz im Vergleich zu Projekten ohne PMO-Unterstützung
  • Anteil der Projekte mit PMO, deren tatsächliche Projektkosten unter dem geschätzten Budget lagen, im Vergleich zu Projekten ohne PMO-Unterstützung

 

Die Einführung eines PMO muss gut geplant sein, um späterem Gegenwind standzuhalten

Damit die Einführung eines PMO als Organisationseinheit gelingt, muss sie selbst als Projekt im Unternehmen umgesetzt werden und den klassischen Projektphasen folgen. Je nach Ausgangssituation und bereits vorhandener Kapazität und Kompetenz, kann die Dauer der Einführung stark variieren. In der Literatur finden sich Einführungszeiträume von mehreren Jahren. Für agile Unternehmen heißt das, das PMO schrittweise einzuführen und frühzeitig einen Mehrwert mit ersten Unterstützungsleistungen zu erzielen. Bei jedem Zwischenschritt ist dann zu prüfen, ob ein weiterer Ausbau des PMO auch einen ausreichend größeren Mehrwert bietet.

 

Unsere Erkenntnisse für ein Project Management Office bei doubleSlash

Bei unserer Untersuchung haben wir festgestellt, dass wir vieles bei der Professionalisierung unseres Projektmanagements richtig machen. Unser CoC (Center of Competence), das PM-Toolkit und die SCC verschaffen uns eine weitestgehend standardisierte, aber dennoch auf einzelne Projekte individuell anpassbare Vorgehensweise im Projektmanagement. Wissensaustausch und Kompetenzentwicklung im PM sind für uns schon lange selbstverständlich.

Bei der Operationalisierung unserer Standards in den Projekten sehen unsere Projektleiter einiges an Potenzial für ein PMO und würden sich über eine Entlastung sehr freuen. Zur Einführung eines PMO als „zentrale Abteilung“ haben wir uns aktuell nicht entschließen können. Die Gründe liegen zum einen in dem auch bei unseren Projektleitern sehr unterschiedlichem Verständnis, was ein PMO ist. Die Diskussion darüber lenkt von den eigentlichen PMO-Aufgaben und -Mehrwerten ab. Zum anderen ergeben die Wünsche an ein PMO kein so einheitliches Bild, dass es zentral einfach umzusetzen wäre.

Wir werden uns im nächsten Schritt damit beschäftigen, wie wir die in der Untersuchung identifizierten mehrwertstiftenden PMO-Services bei uns umsetzen können. Dabei gilt es die PMO-Services nach ihrem Wertbeitrag zu priorisieren und eine Einbettung in vorhandene Teamstrukturen zu prüfen.

 

Fazit

  • PMO gleich PMO? Nein! Es gibt nicht das eine richtige PMO!
  • PMO und Agil? Ja! Die PMO Services lassen sich sowohl in agilen als auch in klassischen Projekten einsetzen. Unter anderem aufgrund der individuellen Umsetzungsmöglichkeiten die ein PMO bietet.
  • PMO zeitgemäß? Ja! Das Leistungsangebot eines PMO selbst ist auf jeden Fall zeitgemäß. Projektmanagement wird zunehmend wichtiger und die Aufgaben, die ein PMO übernehmen kann, fallen in jedem Projekt an. Wie die wertstiftenden PMO-Services nutzbar gemacht werden, ob als zentrale Abteilung oder andere Organisationform, hängt von Struktur und Kultur des Unternehmens ab.
  • Wichtigster Erfolgsfaktor? Ganz klar die Akzeptanz des PMO von den eigenen Mitarbeitern! Ein PMO kann nur insoweit Mehrwert stiften, wie es von den Mitarbeitern in Anspruch genommen wird.

 

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1 https://www.pmi.org/learning/library/establishing-successful-pmo-applying-new-framework-6062, Zugriffsdatum: 30.06.2020

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