Die fünf ultimativen KI Trends für das nächste Jahrzehnt

03.01.2020

Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde. Die einen sehen in KI neue, bislang ungeahnte Chancen, um Produkte noch schneller und genauer an die Bedürfnisse der Menschen anzupassen, die sie nutzen. Kurz: Künstliche Intelligenz hilft, Mehrwert zu schaffen und unser aller Leben besser zu machen.

KI als Bedrohung der menschlichen Souveränität?

Die dem entgegengesetzte Sichtweise betrachtet KI als Bedrohung der menschlichen Souveränität und Entscheidungshoheit. Wenn Algorithmen schon heute über weite Strecken das weltweite Finanz- und Wirtschaftsgeschehen steuern, wenn sie eingesetzt werden, um Bewerber auf ihre Eignung für den zu besetzenden Arbeitsplatz zu beurteilen, dann – so die Befürchtung – sind wir bald die Vollzugsgehilfen von Computerprogrammen. Und manche düster-dystopische Vision gipfelt in Szenarien wie diesem: Eine überintelligente KI kommt zu dem Schluss, dass die Menschen, wenn sie sich frei entfalten, zu viele falsche Entscheidungen treffen. Also steckt sie uns in eine Art Reservat mit beschränkten Freiheiten. Dort leben wir womöglich glücklich, zufrieden und in gut durchstrukturierten Bahnen, sind aber nicht frei.

Ich bin überzeugt, beide Sichtweisen haben ihre Berechtigung und sollten einbezogen werden, wenn es darum geht, die mit Künstlicher Intelligenz verbundenen Möglichkeiten auszuloten und die Entwicklung bewusst zu gestalten.

Womit wir schon beim Kern unseres Themas sind: der Notwendigkeit zu steuern, damit sich die Technologie nicht verselbständigt. Denn das wird sie, wenn es keine Kontrollmechanismen gibt. So wie heute jede Software gesetzeskonform sein muss, sonst macht sich derjenige strafbar, der sie entwickelt, so muss auch KI gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Im Dieselskandal beispielsweise wurde genau dies umgangen. Die Frage ist also nicht, wie intelligent KI durch Lernen oder durch Programmierung wird, sondern wieviel Macht wir ihr geben.

Folgen der Technologie abschätzen

Künstliche Intelligenz ist wahrscheinlich die bislang wichtigste, weil folgenreichste „Erfindung“ des Menschen. Schon die Technologien des 20. Jahrhunderts und ihre Auswirkungen zeugen davon, dass vieles, was technologisch machbar oder profitabel ist, unsere Welt nicht zwingend besser und die Erde zu einem lebenswerteren Ort macht. Nicht von ungefähr gibt es seit den 1960er Jahren das Forschungsgebiet der Technikfolgenabschätzung.

Schon immer haben Erfindungen und neue Technologien die Lebensbedingungen der Menschen und damit auch ihr Verhalten verändert. Dies gilt umso mehr, je stärker die Neuerungen in die bestehenden Strukturen eingreifen, je höher ihre Reichweite ist und je schneller sie sich verbreiten. Man nehme als Beispiele dafür nur die Mobilität des modernen Menschen, den Massentourismus, die industrielle Lebensmittelproduktion oder das jederzeit und überall verfügbare Internet. Sie haben nicht nur zu massiven Veränderungen des menschlichen Verhaltens geführt, sie erschüttern im Moment den Planeten in seinen Grundfesten.

Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, unser Zusammenleben, unsere wirtschaftliche und gesellschaftliche Realität weit stärker zu verändern als alle Technologien, die wir bislang kennen. Allein das ist Grund genug, dass wir ihre Entwicklung nicht dem Zufall, den Mechanismen der Märkte oder den Wenigen überlassen, die mit immensen finanziellen Mitteln Fakten schaffen können. Vielmehr bedarf KI zwingend der Steuerung durch die Gemeinschaft der Menschen, durch uns alle.

Was ist also zu tun?

Zunächst: Ich bin überzeugt, selbst hochgesteckte Erwartungen an die Potenziale von KI sind gerechtfertigt – ob es um das autonome Fahren geht, um Diagnosen in der Medizin oder darum, leistungsfähigere, besser verkaufbare Produkte, einen höheren Automatisierungsgrad und effizientere Entscheidungsprozesse zu erreichen, auf welchem Gebiet auch immer. Das alles wird kommen. Und es ist geeignet, manches heute unlösbar scheinende Problem zu lösen und uns tatsächlich in einem positiven Sinne weiterzubringen. Überzogen scheinen mir allerdings die Erwartungen, was den Zeithorizont angeht. Auch wenn die Entwicklung rasant verläuft, in der Regel neigen wir dazu, die mentale und kognitive Leistungsfähigkeit der Menschen zu unter- und die der Maschine zu überschätzen.

Anders ausgedrückt: Dass „die Maschine“ über mehr praktische Intelligenz verfügt und damit in jeder Situation bessere Entscheidungen trifft als der Mensch, ist aus meiner Sicht in den nächsten 50 Jahren nicht zu erwarten. Dafür gibt es in unserem Alltag zu viele unbekannte Situationen, in denen sich der Mensch vor allem durch sein Allgemeinwissen über die Welt besser zurechtfindet. Dennoch: Was in den kommenden Jahren und Jahrzehnten in Sachen Künstlicher Intelligenz geschieht, hat aber längst seinen Anfang genommen. Es entwickelt sich rasant – und bislang relativ unkontrolliert. Höchste Zeit also, genau hinzusehen und bewusst zu steuern, in welche Richtung wir gehen wollen.

Was KI verändert
Wo KI Veränderungen herbeiführt – Quelle: eigene Darstellung

Bewusst handeln – fünf Trends

Der aus meiner Sicht alles überragende KI-Trend des kommenden Jahrzehnts heißt: öffentliches Bewusstsein entwickeln. Für die möglichen Entwicklungen der Künstlichen Intelligenz, für ihre technologischen, wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Chancen und ihre realistische Einschätzung. Und für die Risiken. Dabei gilt es besonderes Augenmerk auf folgende Gebiete zu richten.

1.Maschinen sind wie Kinder. Computer, die mit selbstlernenden Algorithmen, also Künstlicher Intelligenz ausgestattet sind, verhalten sich im Prinzip wie Kinder. Basis ihres Lernens ist das, womit sie „gefüttert“ werden. Wie Kinder das Verhalten ihrer Eltern nachahmen, erkennt und interpretiert die Maschine auf Basis ihrer Vorgaben Muster und entwickelt die diesen Mustern folgenden Erscheinungsformen logisch weiter. Sie lernt Neues, aber immer vor dem Hintergrund dessen, was sie ursprünglich erfahren hat. Wir werden uns also der Frage stellen müssen: Wollen wir die Ergebnisse dieses Lernens dem Zufall überlassen? Oder sollten wir besser verbindliche Leitlinien für die Lernvorgaben und die Beurteilung der Lernergebnisse entwickeln? Und dann dafür sorgen, dass die Einhaltung dieser Leitlinien kontrollier- beziehungsweise nachvollziehbar ist? Dabei sollten wir uns vor Augen halten: Lernen die Maschinen in Zukunft unkontrolliert, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie sich vorwiegend entlang der Gewinnmaximierung ihres Eigentümers entwickeln. Das kann nicht das Interesse der Allgemeinheit sein.

2.Programmierer werden zu Verhaltensforschern. Wenn sich künstlich intelligente Maschinen verhalten wie Kinder, ist die logische Folgerung: Die Entwickler, die mit diesen Maschinen arbeiten, sollten die noch zu entwickelnden Leitlinien kennen und umsetzen. Sie sollten abschätzen können, was die Maschine auf lange Sicht aus ihrem „Futter“ macht. Daraus ergeben sich neue Anforderungen an die IT-Ausbildung: Reines Programmier-Knowhow allein reicht nicht mehr aus. Vielmehr braucht ein guter KI-Spezialist künftig eine Art ethische Grundausbildung. Er muss lernen, seine Arbeit bewusst am Gemeinwohl und an den ethischen Grundwerten der Menschheit auszurichten. Darüber hinaus braucht er umfassendes technisches Wissen rund um die fünf großen Schulen des Maschinenlernens, wie sie der renommierte Informatiker Pedro Domingos definiert hat:
Konnektion. Diese Schule orientiert sich an dem Funktionsprinzip des menschlichen Gehirns. Das Ergebnis sind neuronale Netzwerke, deren Neuronen Synapsen bilden oder verändern.
Symbolik. Sie hat ihre Wurzeln in der Logik und schließt von bekannten Fakten auf unbekannte Prämissen. Beispiel: „Ich bin ein Mensch. Ich bin sterblich. Daraus folgt: Menschen können sterben.“
Evolution. Das mächtigste uns bekannte Lernprinzip. Diese Schule setzt auf Programme, die die natürliche Selektion der Evolution simulieren.
Bayes´ Schule. Lernen bedeutet hier, Hypothesen zu postulieren und sie an neue Beobachtungen anzupassen.
Analogie. Jede neue Beobachtung wird der Kategorie zugeordnet, die die meisten ähnlichen beziehungsweise ähnlichsten Fälle enthält.

3.Die Kulturrevolution kommt. Keine bislang vom Menschen geschaffene Technologie hat auch nur annähernd eine solche Bandbreite an neuen Möglichkeiten eröffnet wie die KI – im Positiven wie im Negativen. Hinzu kommt, dass sich durch das Internet alles mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet. Nicht zuletzt deshalb wird die KI-Entwicklung schwer zu kontrollieren sein und auf vielen Gebieten Fortschritte machen, die evolutionären Sprüngen gleichkommen. Entscheidend ist hier: Damit das am Horizont aufdämmernde KI-basierte System überhaupt auf Dauer funktioniert, muss es letztlich dem Menschen dienen. Seit Beginn der Industrialisierung hat die Maschine den Takt und die Richtung vorgegeben.

Mit KI ist es möglich, dieses System wieder am Menschen auszurichten. Dazu allerdings müssen wir unser über Jahrtausende eingeübtes Denken in hierarchischen Strukturen und getrennten Untersystemen überwinden. Nur dann werden wir in der Lage sein, die von uns geschaffenen Technologien der Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz zu beherrschen. Falls nicht, werden die Technologien uns beherrschen. Was wir deshalb brauchen, ist eine offene, an tatsächlich gelebten Werten orientierte Kultur, eine Fehlerkultur, die sich einzig an der Suche nach der Wahrheit beziehungsweise dem bestmöglichen Ergebnis für die Allgemeinheit orientiert. Und wir brauchen Transparenz, denn damit sind wir am ehesten in der Lage, die Ausbreitung von Anwendungen zu verhindern, die Schaden anrichten. Mit Transparenz wäre der Dieselskandal schlicht nicht möglich gewesen. Dafür aber brauchen wir neue Organisationsstrukturen, die eine Entwicklung in Richtung Fehlerkultur und Transparenz unterstützen. Sie gilt es zu entwickeln.

4.Der Arbeitsmarkt wird umgekrempelt. Wenn immer mehr Maschinen zur Wertschöpfung herangezogen werden, hat das Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Zu den ersten wird gehören, dass klassische Berufsbilder aussterben oder deutlich weniger Jobchancen bieten – zum Beispiel für KassiererInnen im Einzelhandel oder BeraterInnen im Finanzsektor. Was den Wegfall von Arbeitsplätzen angeht, zeichnet das Bundesarbeitsministerium ein eher optimistisches Bild.[1] Demnach sollen durch den KI-Strukturwandel in den kommenden fünf Jahren 1,3 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland verloren gehen, auf der anderen Seite aber 2,1 Millionen neue Stellen entstehen. Bis 2035 rechnen die Experten damit, dass rund vier Millionen Arbeitsplätze wegfallen und etwa 3,3 Millionen neue Jobs hinzukommen. Allerdings nur, wenn sich viele Beschäftige neue Qualifikationen aneignen. Dafür sind Umschulungen und Weiterbildungen erforderlich. Ob diese Einschätzung realistisch ist, sei dahingestellt. Durchaus denkbar ist auch, dass viele Millionen von Arbeitsplätzen ersatzlos wegfallen. Auch für solche Szenarien werden wir in den kommenden Jahren Pläne entwickeln müssen. Wird dann ein bedingungsloses Grundeinkommen nötig, um den Lebensunterhalt der Bürger zu sichern – und ihren Konsum als tragende Säule unserer Wirtschaft?

5.Gemeinwohl-Ökonomie oder wachsende Ungleichheit. Sicher ist: Künstliche Intelligenz wird immer neue Möglichkeiten der Gewinnmaximierung schaffen. Und Maschinen werden einen immer größeren Anteil an der allgemeinen Wertschöpfung haben. Diese Wertschöpfung muss einen angemessenen Beitrag für die Allgemeinheit leisten. Sonst werden die Mechanismen, nach denen unsere Marktwirtschaft bislang funktioniert, dafür sorgen, dass das Geld, das sie erwirtschaften, vor allem jenen zugutekommt, die diese Maschinen besitzen beziehungsweise betreiben. Überlassen wir die Entwicklung unkontrolliert diesen Mechanismen, wird es womöglich in wenigen Jahrzehnten einige zehntausend Superreiche auf der Erde geben und eine Milliardenarmee von Armen, deren Konsum durch Subventionen aufrechterhalten wird. Welche psychosozialen Folgen das nach sich zieht, vermag niemand zu sagen. Die Alternative: Wir schaffen eine Gemeinwohl-Ökonomie, ein System, in dem die Wertschöpfung mehr als jetzt der Allgemeinheit zugutekommt. Denn eins ist klar: Unser Wirtschaftssystem lebt vom Konsum. Kooperation ist deshalb im Interesse aller, ob sie viel oder wenig besitzen. Optimal wäre es, wenn die Reichen beziehungsweise die Besitzer der KI-Supermaschinen erkennen würden, dass sie die anderen Menschen brauchen, um das System aufrecht zu erhalten. Und entsprechend handeln, nach dem Motto: Leben und leben lassen.

 

Fazit

Wenn es uns gelingt, gute Antworten auf die oben skizzierten Fragen zu finden, wenn wir in der Lage sind, der ethischen Dimension von KI gerecht zu werden und ihre Entwicklung entsprechend zu steuern, dann – davon bin ich fest überzeugt – kann sich Künstliche Intelligenz zum Segen für die Menschheit entwickeln. Entscheidend wird sein: Wir müssen jetzt denken, den öffentlichen Diskurs starten und schnell handeln. Sonst ist die Büchse der Pandora womöglich offen, ehe wir mit ihrem Inhalt umzugehen wissen.

Habt Ihr schon gute Antworten auf die obigen Fragen gefunden? Werden wir in der Lage sein die Entwicklung von KI zu steuern? Teilt doch Eure Ideen durch das Kommentarfeld mit uns.

Übrigens: Die ersten Unternehmen veröffentlichen inzwischen Algorithmen, die sie für ihre KI-Projekte entwickeln. So hat zum Beispiel der Automobilhersteller BMW einige seiner für Machine Learning geschaffenen Algorithmen vor kurzem als Open Source auf Github veröffentlicht [2] und sie damit für die Öffentlichkeit verfügbar und transparent gemacht. Solche Entscheidungen gehen definitiv in die richtige Richtung.


Mehr zu dem Thema Künstliche Intelligenz und Data Driven gibt es hier

 

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[1] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ki-observatorium-tuev-arbeitsministerium-1.4676937

[2] https://www.golem.de/news/deep-learning-bmw-legt-eigene-ki-algorithmen-offen-1912-145576.html

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