Erfolgreiche Zusammenarbeit in Projekten mit Partnern aus China (Teil 1)

22.05.2015
Vertreter Deutschlands und Chinas reichen sich die Hand
Vertreter Deutschlands und Chinas reichen sich die Hand

Während sich viele fernöstliche Länder wie Japan bereits seit Jahrzehnten in regem Austausch mit der westlichen Welt befinden, ist China erst in den letzten Jahren dabei, sich der Welt zu öffnen. Die Auswirkungen sind in allen Bereichen der Wirtschaft spürbar. Eine prozentual kleine – aber durch die Größe des Landes zahlenmäßig dennoch wirtschaftlich mächtige – Schicht in China profitiert von wachsendem Wohlstand. Das zeigt sich beispielsweise auch darin, dass der Absatz von europäischen Premium-Fahrzeugen in der jüngeren Vergangenheit in China, überproportional gestiegen ist [1].

Die rasch zunehmende Vernetzung, auch im Automotive-Bereich, bringt durch die zunehmende Öffnung des Landes Wünsche und Anforderungen zu Tage, die in kurzer Zeit und in enger Zusammenarbeit des Marktes mit der Konzern-Mutter in Deutschland umgesetzt werden müssen.

Marktbezogene Besonderheiten und rasch entstehende Bedürfnisse wirken sich natürlich auch auf die Zusammenarbeit in Entwicklungs-Projekten aus. Anforderungen können in Details liegen, aber auch so weit gehen, dass der Markt komplette Fahrzeugmodelle fordert, die exklusiv für diesen geschaffen werden. doubleSlash arbeitet bereits seit mehreren Jahren in chinesischen Projekten, in denen wir einige wertvolle Erfahrungen gesammelt haben.

China ist anders als der Rest der Welt

Nur zwei aus vielen weiteren Beispielen für grundsätzlich unterschiedliche kulturelle Entwicklungen sind hier aufgeführt:

  • Während bei uns probate Marketing- und Werbekanäle in E-Mails, Newslettern, Prospekten oder Flyern gesehen werden, hat sich in China die MMS als Hauptkanal etabliert. Wird dieser Kanal dann von Mobilfunk-Providern abgeschaltet, klafft hier eine riesige Lücke.
  • Diese Entwicklung war vermutlich ebenso wie die Tatsache, dass in China eine Mobilfunk-Nummer eher als Kennung preisgegeben wird als eine E-Mail-Adresse, durch die späte und zögerliche, stark staatlich kontrollierte Öffnung des Landes zum Thema „Internet“ mit getrieben.

China hat sich viele Jahrhunderte in einem nahezu geschlossenen Öko-System entwickelt. Das Land ist anders als der Rest der Welt und passt sich dennoch in rasantem Tempo an. Das räumlich riesige Land durchläuft aktuell innerhalb kürzester Zeit eine Entwicklung, die in anderen Ländern organisch wachsen konnte. China ist auch anders, weil es im Lauf dieser Entwicklung zahlreiche, für Europäer erst zu durchschauende kulturelle und geografische Besonderheiten zu beachten gilt. Anpassungen sieht man nicht nur in technologischen Aspekten, sondern durchaus auch in den Auswirkungen auf das Projektgeschäft.

Wie gehen wir mit diesen Unterschieden in unserem Projektgeschäft um?

Wir müssen uns als Unternehmen– wie bei jeglichen kulturellen Unterschieden – in die Bedürfnisse und Denkweisen unseres Gegenübers einfinden. Aber nicht nur die kulturellen Unterschiede spielen eine Rolle. Bedingt durch demografische und geographische Extremsituationen sind zahlreiche Besonderheiten zu beachten: Große Entfernungen, die es zu überwinden gilt einhergehend mit einer extrem breit gefächerten Besiedlungsdichte der Regionen. Entsprechend unterschiedlich entwickelt sind auch die Kulturen.

Wo aber liegen die konkreten Herausforderungen und Überraschungen in der Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern und wie geht man am besten mit ihnen um?

Vorurteile auf beiden Seiten

Je fremder uns eine Kultur ist, umso mehr hat sie vermutlich mit Vorurteilen zu kämpfen. Gerade im Umfeld China gibt es vielfältige Klischees, die historisch gewachsen sind, häufig in unserem Projektumfeld aber so nicht wahrgenommen werden konnten.

Das bekannteste Klischee ist wohl „Chinesen kopieren nur“, wobei Kopieren in China durchaus einen höheren Stellenwert hat und auch jahrelang als finanziell lukrativ ergeben hat war. Aber auch pauschale Einschätzungen wie „Chinesen sind konservativ, verschlossen und Obrigkeitsergeben“ sind weit verbreitet.

Umgekehrt gibt es auch Klischees darüber, dass deutsche Kollegen unflexibel und arrogant seien und es den Unternehmen an Kundenorientierung und Servicegedanken fehlt [2].

Daher ist es in jedem kulturell gemischten Projektumfeld besonders wichtig, niemals blind auf Klischees und Vorurteile zu hören, sondern gerade diese Aspekte kritisch selbst einzuschätzen und im Einzelfall zu betrachten.

Unterschiede in der Kommunikation

Oft hat man als „Neuling“ in diesem Umfeld in Gesprächen den Eindruck, der Ansprechpartner habe die Information, die man übermitteln will, verstanden und akzeptiert. Das liegt häufig daran, dass man aus bekannten europäischen Verhaltensweisen die gewohnten Schlussfolgerungen zieht. Das beginnt bereits bei einfachen Lautäußerungen: In einer Telefonkonferenz kann ein „ah“ eines Deutschen (überraschend) beispielsweise grundsätzlich anders gemeint sein als das „ah“ eines Chinesen (Zustimmung).

Erschwerend hinzu kommt die Sprachbarriere durch die häufig gemeinsame Fremdsprache Englisch. Zwischen Nicht-Muttersprachlern können so leicht Missverständnisse oder Unklarheiten entstehen.

Deshalb stellt es sich trotz aller heutigen technischen Möglichkeit als überaus hilfreich heraus, kritische Abstimmungen im persönlichen Kontakt vor Ort zu besprechen. Auf diesem Weg sind Unklarheiten weit schneller zu erkennen und auszuräumen.

Es ist zu erkennen, dass Unklarheiten im fernöstlichen Raum bei Weitem nicht so deutlich und aggressiv angesprochen werden, wie man es an anderer Stelle gewohnt sein mag. Häufiges Nachfragen ist weitaus notwendiger als bei uns üblich, um zu verifizieren, dass die übermittelte Botschaft tatsächlich so formuliert ist, dass sie vom Empfänger im gewünschten Sinn aufgenommen und verstanden wird. Viele Asiaten haben, aus ihrer sozialen Prägung heraus, mehr Probleme damit als Europäer, vor Kollegen und Vorgesetzten zuzugeben, etwas nicht verstanden zu haben.

Versäumt man dieses häufige Nachfragen oder gibt man zu ungenaue Angaben dessen was man erwartet, kann das schlechte oder falsche Umsetzungen zur Folge haben. In Konzeptionen oder Vorgaben sollte man darum so wenig wie möglich Spielraum für Missverständnisse oder Fehlinterpretationen lassen.
Ein Beispiel: „Lorem ipsum“-Texte in UI-Scribbles und Wireframes sollten explizit als Platzhalter für noch zu definierenden Inhalt gekennzeichnet werden, um eine wörtliche statische Übernahme von Inhalten zu vermeiden. In Implementierungs-Projekten sollte man grundsätzlich hinreichende Test-Phasen einkalkulieren und durchaus, je nach Erfahrung mit dem Partner, mehrere Fix-Runden einplanen.

Umgekehrt ist es so, dass auch nicht so offen kritisiert wird, wie man es unter Umständen gewohnt sein kann. Wenn ein chinesischer Gesprächspartner vorsichtig eine andere, alternative Meinung zu einem Vorgehen anmerkt, kann das durchaus bedeuten, dass er mit einer Vorgehensweise nicht einverstanden ist oder ein Ergebnis als falsch ansieht. Auf versteckte Kritik ist also ganz besonderes Augenmerk zu richten.

Zielstrebigkeit, Verlässlichkeit

Die chinesischen Kollegen, mit denen wir zu tun hatten, sind zielgerichtet und pragmatisch. Sowohl fachliche als auch terminliche Zusagen werden akkurat eingehalten (was nicht bei allen fernöstlichen Kulturen der Fall sein muss) und im Gegenzug auch strikt eingefordert.

Außerdem sind fernöstliche Partner häufig sehr hilfsbereit und entgegenkommend. Viele unserer Partner bieten in der Realisierung von Schnittstellen z.B. an, sich an uns anzupassen und neue Schnittstellen zu implementieren anstatt die Nutzung einer bestehenden Schnittstelle aus dem eigenen Haus zu propagieren.

Lesen Sie im nächsten Teil der Blogreihe, wie die chinesische Technologiepolitik funktioniert und was es hinsichtlich personalpolitischer und organisatorischer Rahmenbedingungen zu beachten gilt.


Quellen

[1] http://www.sueddeutsche.de/auto/automobilmarkt-jedes-dritte-deutsche-auto-wird-in-china-verkauft-1.2332463

[2] https://owc.de

 

doubleSlash-Teaser-Blog_Projektmanagement

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