Internationale Webanwendungen erfolgreich umsetzen – Projektplanung und Internationalisierung (Teil 1)

11.12.2015

paketshop_sucheDie Planung und erfolgreiche Umsetzung einer internationalen Java-Webanwendung für Nutzer in den unterschiedlichsten Ländern der Welt ist keine triviale Angelegenheit. Bei der Umsetzung der DHL Paketshop-Suche war doubleSlash als Projektpartner für die Entwicklung zuständig. Dieser zweiteilige Artikel beschreibt die Besonderheiten, die es in solch einem Projekt über alle Phasen hinweg zu beachten gilt. Im ersten Teil werden allgemeine Sachverhalte beschrieben, die bei der Projektplanung zu berücksichtigen waren. Der zweite Teil behandelt Lösungsansätze für verschiedene Herausforderungen bei der technischen Umsetzung, wie z.B. die Ermittlung des Landes aus dem der Anwender kommt oder die Darstellung der Anwendungstexte in unterschiedlichen Sprachen und Zeichensätzen.

Eine der Kernkompetenzen von doubleSlash ist die Entwicklung von kartenbasierten Webanwendungen. Quasi schon ein Klassiker ist der „Postfinder“, die Standortsuche von Deutsche Post AG, mit deren Hilfe man z.B. nahe gelegene Briefkästen, Postfilialen und Packstationen finden kann. Eines unserer jüngsten Projekte für die Deutsche Post ist die Entwicklung der DHL Paketshop-Suche, eine Anwendung mit der man DHL Paketshops in verschiedenen Ländern suchen kann.

dhl paketshop postfinder

In internationalen Konzernen ist es nicht unüblich, dass jedes Land in dem das Unternehmen tätig ist, seine eigenen Lösungen entwickelt und betreibt. Dem gegenüber hat eine einzige, zentrale Standortsuche für mehrere oder gar alle Zielmärkte des Unternehmens den Vorteil, dass unternehmensweit Kosten für die Entwicklung und den Betrieb eingespart werden, da es nur noch eine statt vieler unterschiedlicher Applikationen gibt.

Im Gegensatz zu einer nationalen, einsprachigen Lösung ist die Entwicklung einer internationalen, mehrsprachigen Anwendung allerdings auch um einiges komplexer. In jeder Umsetzungsphase, angefangen bei der Projektplanung, über Anwendungs- und Webdesign, Entwicklung und Test bis hin zum Rollout und Betrieb gibt es zahlreiche Aspekte zu berücksichtigen, damit die Anwendung ein Erfolg wird.

Zeitplan als Schlüsselelement in der Projektplanung für internationale Webanwendungen

Bereits in der Projektplanung sollte man sich überlegen, wie der Rollout in den verschiedenen Ländern erfolgen soll. Insbesondere bei vielen Zielmärkten empfiehlt es sich, die Anwendung zunächst im Rahmen einer Pilotphase in wenigen Schlüsselmärkten produktiv zu nehmen, um sie dann nach und nach auf andere Länder auszuweiten. Ein grober Zeitplan ist wichtig und legt fest, wann der Rollout für welche Länder erfolgen soll. So sammelt man während der Pilotphase Erfahrungen, die bei der Ausflächung auf weitere Märkte hilfreich sind. Zudem kennt man die Deadlines für Anwendungstexte und –Beschriftungen, die in verschiedenen Sprachen benötigt werden, und kann die Übersetzungen rechtzeitig beauftragen. Wird die Applikation erst dann in anderen Ländern ausgerollt, wenn sie produktionsreif bzw. bereits produktiv ist, ist zudem sicher gestellt, dass alle benötigten Texte feststehen und keine nachträglichen Übersetzungen angefertigt werden müssen.

Befinden sich unter den Zielmärkten auch Länder mit größeren kulturellen Unterschieden, sollte man sich bewusst sein, dass es während der Rolloutphase in diesen Ländern nochmals zu Änderungen an der Anwendung kommen kann. Denn manche Inhalte (dazu gehören Texte, Bilder, Farben etc.), die für uns selbstverständlich sind, können in anderen Kulturen als anstößig angesehen oder missverstanden werden. Darum ist es besonders wichtig, für jeden Länder-Rollout eine Testphase vorzusehen, in der Einheimische des jeweiligen Landes die Anwendung intensiv testen und solche kritischen Punkte zur Sprache bringen.

Internationalisierung einer Webanwendung ist die Basis für die Nutzbarkeit in anderen Ländern

Beim Design der Anwendung ist es wichtig, die Prinzipien der Internationalisierung [1] zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass die Anwendung in einer Art und Weise konzipiert werden muss, welche die Lokalisierung der Anwendung für neue Länder möglichst leicht und mit geringem Aufwand ermöglicht. Unter Lokalisierung versteht man die Angleichung der Anwendung „um der Sprache, den kulturellen oder anderen Anforderungen eines bestimmten Zielmarktes (ein lokaler „Schauplatz“) zu entsprechen[1]. Dabei geht es um weit mehr als lediglich die Übersetzung der Benutzeroberfläche in andere Sprachen. Lokalisierung beinhaltet auch die Darstellung von Datum, Uhrzeit und Zahlen im jeweiligen Landesformat, Verwendung der dort gebräuchlichen Währung, Berücksichtigung der verwendeten Tastaturen (z.B. bei Tastenkürzeln), ggf. abweichende gesetzliche Bestimmungen und vieles mehr. Eventuell ist sogar eine angepasste Geschäftslogik erforderlich. [1]

Sprache und Ländererkennung sind Herausforderungen für internationale Webanwendungen

Wenn zu den Zielmärkten auch Länder gehören, in denen von rechts nach links geschrieben wird (wie z.B. arabisch oder hebräisch), muss das in der Aufwandsschätzung und im Webdesign berücksichtigt werden. Die Laufrichtung einer Sprache beeinflusst auch im Allgemeinen die Sehgewohnheiten des Lesers – die Blickführung verläuft bei Muttersprachlern solcher Schriften generell von rechts nach links. Das bedeutet, dass nicht nur die Textrichtung, sondern das komplette Layout, inklusive Icons etc., gespiegelt werden müssen[2], wie die folgende Abbildung der hebräischen DHL-Webseite zeigt.

postfinder_hebräisch

Gerade hier ist es unabdingbar, Muttersprachler mit einzubeziehen, die mit der Von-rechts-nach-links-Schreibrichtung vertraut sind. Das ungeübte Auge eines „westlichen“ Entwicklers oder Testers kann leicht viele Fehler übersehen, die Einheimischen des Zielmarkts sofort ins Auge springen würden.

Für Länder, in denen noch eine geringe Internetbandbreite üblich ist (z.B. ISDN-Geschwindigkeit oder geringer), sollte eine „abgespeckte“ Version der Anwendung in Betracht gezogen werden: Anstatt der Einbindung einer der üblichen dynamischen Karten, wie Google Maps oder Bing Maps, bei denen der der Kartenausschnitt bewegt oder gezoomt werden kann, ist es hier gegebenenfalls sinnvoll, ein statisches Kartenbild anzuzeigen. So vermeidet man lange, durch das Nachladen der Karten-Kacheln verursachte Wartezeiten beim Benutzer.

Damit die Anwendung „weiß“, in welcher Sprache die Texte dargestellt werden und welche Formate und Maßeinheiten angezeigt werden sollen, muss sie das Land kennen, von dem aus ein Anwender sie nutzt. Die Spracheinstellung im Browser des Benutzers allein ist hier nicht ausreichend, da unter Umständen lediglich die Sprache des Benutzers ohne Angabe eines Landes eingestellt ist. Lautet die Spracheinstellung lediglich „Englisch“, weiß die Anwendung beispielsweise nicht, ob sie die Entfernung zum nächsten Paketshop in Meilen anzeigen soll wie in USA und Großbritannien, oder in Kilometern, der in Australien üblichen Maßeinheit. Das Land des Benutzers ist für die DHL Paketshop-Suche außerdem wichtig, damit es in der Länderliste für die Suche als Vorauswahl einstellbar ist. Auch hier wäre die Spracheinstellung des Browsers nicht dienlich, da z.B. ein in Deutschland lebender Niederländer, der also wahrscheinlich einen Paketshop in Deutschland suchen möchte, in seinem Browser möglicherweise die Sprache „niederländisch“ eingestellt hat.

Kurz gesagt: Man muss sich etwas anderes einfallen lassen, um das Land des Anwenders zu ermitteln. Welche Möglichkeiten es hierfür gibt, wird im zweiten Teil des Artikels beschrieben.

Internationale Webanwendungen entwickeln bedeutet, von Anfang an global zu denken

Für die Entwicklungsphase empfiehlt es sich, die Anwendung so umzusetzen, dass sie von vorne herein mindestens zwei unterschiedliche Länder unterstützt. Die Länder sollten so gewählt sein, dass sie sich in der Sprache und den dort verwendeten Maßeinheiten unterscheiden. So hilft man den Entwicklern dabei, die Mehrsprachigkeit und Verwendung unterschiedlicher Zahlen-, Zeit- und Datumsformate bereits von Anfang an konsequent einzuhalten. Das späte Entdecken von „hartcodierten“ Texten erst während des Rollouts in ein zweites Land sowie die daraus folgenden notwendigen Änderungen und nachträglich benötigten Übersetzungen werden so vermieden.

Als initial zu unterstützende Länder bieten sich z. B. Deutschland und Großbritannien an. Zum einen, weil in den beiden Ländern unterschiedliche Maßeinheiten, Zahlen-, Zeit- und Datumsformate verwendet werden, zum anderen ist davon auszugehen, dass die Entwickler die Sprachen beider Länder beherrschen, was bei der Entwicklung und frühzeitigen Qualitätssicherung hilfreich ist.

Auch in der Testphase muss ein besonderes Augenmerk auf die Internationalisierung gerichtet werden. So ist für jedes Land zu prüfen, ob die Maßeinheiten, Zahlen-, Zeit- und Datumsformate usw. jeweils korrekt angezeigt werden. Nachdem die Anwendung produktiv gegangen ist, plant man möglicherweise bereits das nächste Release mit erweiterter Funktionalität. Hier ist in der Planung zu berücksichtigen, dass neue Funktionen in der Regel auch neue Beschriftungen und Texte erfordern, die man wiederum in alle unterstützten Sprachen übersetzen lassen und in die Anwendung einpflegen muss.

Fazit: Eine internationale Standortsuche anstatt mehrerer marktspezifischer Eigenentwicklungen kann einem Unternehmen helfen, Kosten bei der Entwicklung und im Betrieb einzusparen. Bei der Projektplanung und Umsetzung gilt es allerdings Einiges zu bedenken, und eine enge Zusammenarbeit mit den Ansprechpartnern aus den Zielmärkten ist unabdingbar.


Quellen:

[1] http://www.w3.org/International/questions/qa-i18n

[2] http://helllicht.com/fachartikel/layout-fuer-websites-in-right-to-left-schriften/

 

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