Im Marketingtalk: Wo bleibt die Touchpoint-Kultur?

03.09.2013

Im Marketingtalk: Wo bleibt die Touchpoint-Kultur?Jeder ist irgendwo Kunde und jeder kann Geschichten darüber erzählen, was er beim letzten Kontakt mit dem Anbieter erlebt hat. Marketingfachleute nennen dies Customer Experience.
Jochen Mayer, Moderator des slashTalk 2013 zum Thema Touchpoint Management und Oliver Belikan, Marketing Technology Consultant bei doubleSlash, diskutieren spontan über ihre Erfahrungen und beantworteten mir beim Kaffee einige Fragen zu den Themen Customer Experience und Touchpoint Management.

Wie hängt Customer Experience mit Touchpoint Management zusammen?

Belikan: Sagen wir mal so: Der Kunde macht Erfahrungen an jedem einzelnen Berührungspunkt mit einem Unternehmen oder einem Produkt. Damit alle Erfahrungen in Summe für den Kunden positiv sind, müssen die wichtigsten Berührungspunkte gemanagt werden – das nennt man dann Touchpoint Management. Im Grunde also ganz einfach.

Mayer: Ja, das Wesentliche am Touchpoint Management Ansatz ist der Wechsel der Sichtweise in das Kundenerleben. Die Touchpoints müssen eben so gemanagt werden dass der Kunde eine maximale Verstärkung und Bestätigung der Markenwerte erlebt und nicht so wie es das Marketing befürwortet. Es ist wie bei dem Sprichwort, bei dem der Köder dem Fisch schmecken soll, nicht dem Angler.

Belikan: Dieser Vergleich lässt den Schluss zu, dass dem Anbieter egal wäre was er an den Haken hängen würde. Solange es dem Kunden schmeckt wäre es ok. Moderne Unternehmen bieten  zunehmend nur noch die Produkte und Leistungen an, was sie gemäß Firmenphilosophie, ethisch und moralisch vertreten können. Das wurde zunehmend ein Faktor für die Belegschaft. Vor allem junge Bewerber wollen zu 100% hinter den Produkten ihres künftigen Arbeitgeber stehen können. Also im Grunde auch nichts Neues. Die Firmenphilosophie spielt bei Touchpoints aber entscheidend mit.

Mayer: In einem Käufermarkt müssen sich Unternehmen nach ihren Kunden richten, nicht umgekehrt. Wenn sich die Nachfrage beispielsweise maßgeblich in Richtung „billig“ verändert, muss man das beantworten. Entweder man schafft es dann den Wert des teuren Preises darzustellen oder man verkauft so wie der Markt es will. Wobei Ersteres genau die Kommunikationsaufgabe ist.

Das heißt „Touchpoint Management“ gab es eigentlich schon seit dem Wechsel vom Verkäufer- zum Käufermarkt?

Belikan: Die Betrachtungsweise aus Kundensicht gab es bisher in dieser konsequenten Form noch nicht. Klar ist es keine neue Botschaft. Ein Unternehmen muss seine Kunden, seine Bedürfnisse und seine Sorgen ernst nehmen. Es wird aber zunehmend schmerzvoller, wenn sich ein Unternehmen nicht intensiver um das Kundenerleben kümmert. Ein Unternehmen blickt immer von Innen nach Außen. So denkt es auch. Die Entwickler, die Chefs, das Marketing. Touchpoint Management bedeutet, dass jeder Einzelne im Unternehmen den Blick des Kunden von Außen nach Innen einnehmen sollte. Das Touchpoint Verständnis ist also zu einem großen Teil Unternehmenskultur und Geisteshaltung der Mitarbeiter.

Mayer: Klassische Begriffe, wie Kundenorientierung oder Kundenbindung suggerieren ein Handeln im Sinne des Kunden. Das ist jedoch selten der Fall. Diese Begriffe werden missverständlich verwendet, zumindest wenn sie nicht Kundennutzen zum Inhalt haben. In einer Zeit zunehmend emanzipierter und meinungsmächtigerer Kunden, werden diese sehr wirkungsvoll den von Ihnen tatsächlich erlebten Produkt- und Servicenutzen kommunizieren, sprich empfehlen oder eben abraten.

Belikan: Ja, und das wirklich fiese dabei ist, dass diejenigen, die abraten in der Regel lauter und prägender über schlechten Service schimpfen, als diejenigen bei denen sich die Erwartung ganz selbstverständlich erfüllt hat. Also geht es bei Touchpoint Management zunächst auch darum, die stark negativen Erlebnisse für den Kunden zu vermeiden. Service und Fulfillment werden immer wichtiger für das Markenerleben.

Ersetzt Touchpoint Management zukünftig das Marketing?

Mayer: Marketing versteht sich immer weniger als Werbung im Sinne von Produktüberhöhung, und Vertrieb sieht sein Handlungsinstrument nicht mehr im trickreichen Aufschwatzen. Außer in one-shot-Märkten benötigt es möglichst verständliche und irritationsfreie Kommunikation und ein Markenversprechen, das eingehalten wird. Auch der Vertrieb weiß mittlerweile, dass Bestandskundenumsatz x-mal einfacher zu generieren ist als Neukundenumsatz. Beides sind auch in Zukunft erfolgskritische Aufgaben die eine Verbindung zwischen potenziellen Kunden und Waren oder Dienstleitungen herstellen. Also wird sich das Marketing verändern, nicht aber überflüssig werden.

Belikan: Es wird sich verändern, ja. Aber nicht nur das Marketing, sondern viele Unternehmen als Ganzes. Denkt man Touchpoint Management zu Ende, ist das das Ende der fortwährenden Wachstumslogik. Nicht mehr das alleinige Wachstum in Umsatz, Gewinn und Größe zählen, sondern die Qualität und Nachhaltigkeit. Das Marketing strebt nicht mehr ausschließlich danach, dem Kunden krampfhaft noch zusätzlich etwas verkaufen zu können. Vielmehr muss das Marketing und Vertrieb beantworten was exakt der Kunde jetzt, in seiner aktuellen Situation an Ort und Stelle benötigt. Nicht wie man ihm noch zusätzlich etwas andreht. Ein tiefes Verständnis für Touchpoint Management hilft dem Marketing (und dem Vertrieb) hierfür gewaltig. Die Bedeutung des Marketing zur Vermittlung der Touchpoint-Kultur wird wachsen.

Mayer: Ich glaube nicht, dass Touchpoint Management das Ende des Wachstumsparadigmas ist, aber eine maßgebliche Veränderung der Fristigkeit von Wachstum und Bewertung. Unternehmen, die ihre Perfomance hauptsächlich kurzzyklisch bewerten, stehen sich in dramatischer Weise selbst im Wege. Durch kurze Bewertungszyklen wird Managern die Nachhaltigkeit quasi verboten, die es braucht, das Markenversprechen über die gesamte Consumer Journey zu erfüllen.  Davon abgesehen ist Touchpoint Management  ein Paradigma mit dem das Marketing wunderbar arbeiten.

Oliver und Jochen, vielen Dank für die interessante Diskussion.

Am 09. und 10. Oktober findet in Friedrichshafen der dritte slashTalk mit hochkarätigen Sprechern zum Thema Touchpoint Management statt. Sind Sie dabei!

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