Unternehmen müssen Sprache des Kunden sprechen

27.03.2013

Stefan Hövel, Unternehmensberater und slashTalk-ReferentDie Vorbereitungen für den slashTalk 2013 laufen bereits auf Hochtouren. Grund genug für uns als Veranstalter unsere Referenten speziell zum diesjährigen Top-Thema Touchpoint Management genauer zu befragen. Den Anfang macht Stefan Hövel, Gründer von Innovagon und Touchpoint-Experte.

1. Sie haben Innovagon 2006 als Unternehmensberatung für digitales Marketing gegründet. Was ist Ihre Mission?

Unsere Mission ist es, Marketing für den Konsumenten relevanter und nützlicher zu machen. Werbung spielt weiterhin eine große Rolle, aber viele Unternehmen wollen immer noch nicht wahrhaben, dass der Kunde im Internet selbstbestimmt nach weiteren Informationen zu Marken, Produkten und Services sucht. Das Marketing muss diese Kundenanforderungen verstehen und neue Lösungen bieten. Die meisten unserer Kunden haben hier immense Optimierungspotentiale.
Darüber hinaus hilft eine konsequente Kundenzentrierung, d.h. Lösungen aus dem Blickwinkel des Konsumenten zu gestalten. Gelingt dies, wird das Marketing automatisch effektiver und effizienter. Wir beobachten und analysieren auch viele erfolgreiche Start-ups, die teilweise mit nur einem einzigen Kundennutzen und einer dafür optimierten Internetlösung an den Start gehen. Ein sehr schönes Beispiel dafür ist AirBnB. Diese Best-Practices auf größere Unternehmen zu übertragen, ist eine spannende Herausforderung.

 2. Sie sind Referent auf dem slashTalk 2013 und geben einen Überblick über verschiedene Touchpoint Management-Modelle. Ohne den Vortrag vorwegzunehmen, warum existieren verschiedene Modelle und welche Bedeutung haben sie in der Praxis?

Diese Touchpoint bzw. Journey-Modelle sind aus unterschiedlichen Blickwinkeln entstanden, um am Ende doch mehr oder weniger denselben Sachverhalt zu beschreiben. Ohne Zweifel kommen Google, McKinsey, Forrester, Altimeter und Resource Interactive aus unterschiedlichen Branchen – alle haben aber die tiefgreifenden Veränderungen im Blick, die durch das Internet verursacht werden.
Die Veränderungen betreffen alle Teilphasen einer Kundenbeziehung mit dem Unternehmen – vor dem Kauf und nach dem Kauf. Fast alle Modelle weisen zudem auf die zyklischen Effekte hin, die durch Social Media entstehen. Ein einfaches Beispiel dazu: Konsumenten suchen Bewertungen vor dem Kauf, Kunden erstellen Bewertungen nach dem Kauf. Diese eigentlich sehr banale Tatsache hat fundamentale Auswirkungen auf die Kaufentscheidung.
Sie fragen mit Recht nach der Bedeutung in der Praxis. Ich möchte Ihnen so antworten: Die Modelle sind eine abstrakte und simplifizierte Darstellung der Realität, die heute bereits zwischen Konsument und Unternehmen abläuft. Es wird also dringend Zeit, dass diese Modelle auch Einzug in die Praxis halten und sich somit die Strategien, die Konzepte und natürlich auch der Marketing-Mix ändert.

Touchpoint Konzepte als wertvoller Beitrag zum Kundenverständnis
3. Alle Modelle haben die Beziehung zwischen Kunden und Unternehmen zum Gegenstand. Sie beschäftigen sich mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Trend- und Zukunftsfragen. Ist abzusehen, wie sich das Verhältnis zwischen Kunden und Anbieter künftig entwickeln wird?

Unserer Meinung nach haben die Entwicklungen das Potential, die Beziehung zwischen Kunde und Unternehmen deutlich zu verbessern. Dies in vielerlei Hinsicht und vor allem zu beiderseitigem Nutzen. Hierzu müssen wir aber den Begriff „Nutzen“ hinterfragen. Wir stellen leider immer noch zu oft fest, dass Unternehmen den primären Nutzen des Internets darin sehen, einen digitalen Unternehmensauftritt zu gestalten. Daran ist nichts falsch, wenn man das Wesentliche auch erledigt. Nämlich zu verstehen, was der Kunde wirklich im Internet sucht und dafür die passenden Lösungen zu bieten. Die Touchpoint und Journey Konzepte können hierzu einen wertvollen Beitrag leisten.
Als Beispiel kann sicher die Textilbranche dienen, in der fast alle Marken mit ungeheurem Aufwand die jeweils aktuelle Kampagne und Kollektion ins Netz stellen.. Allerdings wird der Konsument, nachdem er sich auf der jeweiligen Website informiert hat, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Produkt seiner Wahl im stationären Handel nicht finden. An dieser Stelle erwarten wir Lösungen, die es dem Kunden entweder möglich machen, das Produkt besser zu lokalisieren oder sofort online zu ordern. Die aktuellen Multichannel-Entwicklungen versprechen hier viele Verbesserungen.

4. Sie sprechen in Ihren Publikationen von Faktoren, welche die Kaufentscheidung maßgeblich beeinflussen. Welche Faktoren meinen Sie damit?

Zuallererst ist es die Qualität, aber auch die Auffindbarkeit von Informationen im Web. Es gibt Unternehmen, die kommunizieren zielgerichtet und mit unglaublicher Konsequenz an ihren Kunden vorbei, weil sie es nicht schaffen, die Sprache ihrer Kunden zu sprechen. Andererseits geht es aber auch um Reduzierung von Komplexität, die Bereitstellung personalisierter Informationen oder auch um das Konfigurieren von Produkten und Dienstleistungen über spezielle Touchpoints.
Einer essentieller Faktor, der nach wie vor vernachlässigt wird, ist die Validierung im Kaufprozess. Sie entscheidet darüber, ob wir uns mit einer Entscheidung gut fühlen oder nicht. Die meisten Unternehmen überlassen diesen Faktor aber fast ausschließlich Social Media Drittplattformen, ohne dort moderieren zu können.
Wir haben hinsichtlich der Kaufdurchführung analysiert, welche Faktoren neben den klassischen Parametern (Handelsform, Preis,Verfügbarkeit) eine entscheidende Rolle spielen. Neben Vorteilsangeboten (Deals oder Couponing) sind dies Convenience- und Servicefaktoren (Chat, Shoppinghistorie, Zahlungsarten) und natürlich auch Vertrauen (Bewertung oder Zertifizierung des Shops). In einigen Fällen punkten Unternehmen sogar noch mit klimaneutraler Logistik oder wiederverwendbarer Verpackung. Branchen, die sich derzeit über amazon und ebay beklagen, scheinen nicht verstanden zu haben, welche Vorteile der Kunde auf diesen Plattformen wirklich vorfindet.

5. Meist wird mit Touchpoint Management die Beziehung zwischen Kunde und Marke verstanden. Wie definieren Sie das Thema Touchpoint Management? Gehört für Sie auch B2B zum Touchpoint Management, oder konzentrieren Sie sich hauptsächlich auf B2C?

Wir stellen uns zuerst die Frage, welche Anforderungen der Kunde an eine Marke (oder ein Unternehmen) hat. Diese Anforderungen können extrem unterschiedlich sein. Während beispielsweise eine Tischreservierung im Lieblingslokal mit einem Klick erledigt sein kann, stellt die Konfiguration, der Kauf und der Service eines Mountainbikes bei einem Direktversender deutlich höhere Anforderungen an das Touchpoint Management. Eine andere Frage ist das Zusammenspiel der Kanäle in der Kommunikation und im Vertrieb. Hierbei geht es neben technischen Abstimmungen auch häufig um eine Harmonisierung der Touchpoints zwischen online und offline.
Wir empfehlen, die Bedeutung jedes einzelnen Touchpoints exakt zu definieren und die Anzahl der wirklich wichtigen Touchpoints überschaubar zu halten. Uns gefällt daher auch der von doubleslash geprägte Begriff des „Super-Touchpoints“. Wir selbst forcieren das Konzept der „Smart-Touchpoints“ und verstehen dahinter kleine, aber wichtige digitale Prozesse mit hohem Mehrwert für den User.
Touchpoint Management spielt sowohl B2C wie B2B eine Rolle, entscheidend ist die fundierte Kenntnis der Beziehungen zwischen Kunde und Unternehmen. In komplexen und für uns neuen Branchen moderieren wir den Prozess, in uns bekannten Branchen können wir sehr schnell auch Lösungen erarbeiten.

Vielen Dank Stefan Hövel. Wir freuen uns auf Ihren Vortrag.

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