Wie entwickelt sich der Trend der E-Scooter und was können Hersteller und Betreiber von autonomen Shuttles von ihnen lernen?

08.12.2021

Im Frühsommer 2019 waren sie in Deutschlands Großstädten plötzlich allgegenwärtig: E-Scooter. Buchstäblich über Nacht brachten Verleihfirmen ihre batteriegetriebenen Flotten in Stellung. Die Anbieter sind aktuell Lime, Bird, Voi und Tier.

Doch auch in den kleineren Städten werden nach und nach die E-Scooter angeboten. In der 60.000 Einwohner Stadt Friedrichshafen kann man beispielsweise seit einigen Monaten E-Scooter vom Betreiber Tier nutzen.

 

Zeitgleich werden unter anderem in Friedrichshafen von der ZF AG autonome Shuttles als eine Alternative zum Individualverkehr und als Ergänzung zum ÖPNV entwickelt. „DB Regio geht davon aus, dass in Deutschland bis zum Jahr 2035 über 30.000 hochautomatisierte oder autonome Shuttlebusse notwendig seien, um den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zukunftsbereit zu machen und hat deshalb eine Kooperation mit der ZF Friedrichshafen vereinbart. Ziel ist die Entwicklung von autonom fahrenden Shuttles im Linienverkehr.“ [1]

 

In diesem Blogbeitrag wird beleuchtet, inwiefern die Hersteller und Betreiber von autonomen Shuttles von E-Scooter-Betreibern lernen können – und wo sich Synergieeffekte ergeben könnten. Meine Hypothese ist, dass die E-Scooter-Betreiber früher oder später mit autonomen Shuttle-Herstellern bzw. -Betreibern fusionieren werden, oder zumindest eine enge Kooperation zwischen den Unternehmen vereinbart wird. Dafür gibt es einige Gründe:

 

1. Integration von E-Scootern und autonomen Shuttles in multimodale Mobilitätsverbünde

Gerade im innerstätischen Bereich könnten E-Scooter Teilstreckern abbilden, die von autonomen Shuttles nicht abgedeckt oder nur schwer zu erreichen sind. Ähnlich wie bei der „Last-Mile Delivery“ Problematik in der Logistik, könnte der E-Scooter eine deutliche Optimierung der Effizienz bedeuten.
Auch könnten Kunden und Kundinnen intensiviert werden, wenn sie beispielsweise alleine im autonomen Shuttle unterwegs sind, alternativ einen Scooter auf einer Teilstrecke zu nutzen. Das hätte den Vorteil, dass die Betriebskosten des autonomen Shuttles gesenkt würden und die autonomen Shuttles an anderer Stelle effizienter mit einer höheren Personenzahl genutzt werden könnten. Also quasi das altbekannte „P+R“-Konzept nur optimiert für mobile E-Scooter und autonome Shuttle, ermöglicht durch den Austausch der Livedaten beider Mobilitätsanbieter.
Damit diese Mission gelingt gilt es, die elektrischen E-Scooter besser in multimodale Mobilitätsverbünde zu integrieren, die sich übersichtlich in nutzerfreundlichen Apps zusammenfließen. Diese Entwicklung zeichnet sich bereits im Leihfahrradgeschäft ab: Der Fahrdienstvermittler Uber hat in den Hersteller Lime investiert und fügt E-Scooter zum Leihfahrradgeschäft der Eigenmarke Jump hinzu. Und auch der Uber-Konkurrent Lyft integriert E-Scooter in sein neues Leihfahrrad-Angebot. Auch über Google Maps lassen sich schon E-Scooter von Lime anzeigen.

 

2. Geo-Informationen sinnvoll nutzen – Auslastung von autonomen Shuttles vorrausagen

Google und Apple bekommen Geo-Informationen und Bewegungsdaten durch ihr Android- und IOS-Ökosystem und den Millionen von Endgeräten, die täglich genutzt werden. So können sie ziemlich genaue Vorhersagen zum Mobilitätsverhalten machen. Auch OEMs bzw. Flottenbetreiber oder Autoverleiher sammeln heute schon fleißig anonymisierte Bewegungsdaten. Doch auch die Verleiher von E-Scootern können sehr präzise vorrausagen, auf welchen Strecken zu welchen Uhrzeiten ein erhöhter Mobilitätsbedarf besteht. Sie können Fragen beantworten wie: Welche Stoßzeiten gibt es für die Nutzung der E-Scooter und welche Wochentage sind am häufigsten frequentiert? Damit ließen sich E-Scooter beispielsweise nutzen, um aktuelle Lücken im ÖPNV-Netz zu schließen. Da sich immer mehr ein Trend in Richtung der autofreien Innenstadt abzeichnet, können die E-Scooter Verleiher mit exklusiven Daten punkten. Sie helfen dabei, effiziente Standardrouten zu entwickeln oder eine individuelle Routenplanung durchzuführen. Auch bei der Bewertung der Business Potentiale für verschiedene Geschäftsmodelle sind diese Daten sehr wertvoll.
Betreiber von autonomen Shuttles könnten diese Daten ebenso nutzen, um eine Absicherung und Freigabe der Shuttle Strecken frühzeitig anzustoßen.

 

3. Informationen aus dem Betrieb von E-Scootern nutzen

Der WDR berichtete im Sommer 2021, Taucher hätten hunderte E-Scooter im Rhein bei Köln gesichtet. Die Anbieter gehen nach einer ersten Bergungsaktion von etwa 100 Geräten auf dem Grund des Flusses aus. Das teilte die Plattform Shared Mobility (PSM) mit, ein Zusammenschluss der Verleihfirmen[4].
Von Vorfällen wie diesen können die Betreiber von autonomen Shuttles lernen. Wie wird mit den Möglichkeiten der „Share-Economy“ im Guten wie auch im Schlechten umgegangen? Wo und in welchem Umfang findest Vandalismus statt? Welche Gegenden sind zu meiden?
Ebenfalls kommt es immer wieder vor, dass sich über das Parken der E-Scooter auf Bürgersteigen oder anderen nicht vorgesehenen Plätzen beschwert wird. Hier könnten autonome Shuttle-Dienste punkten, indem sie genau diese Strecken in Zukunft abdecken. Auf der anderen Seite können Shuttles manche Gegenden nicht oder nur zeitweise befahren, wo E-Scooter hingegen keine Einschränkungen haben. Hier können sich beide gegenseitig ideal ergänzen.

 

4. E-Scooter und ihre Sensorik als weitere Datenquelle

Schon heute liefern die E-Scooter wie im ersten Abschnitt beschrieben wertvolle GPS Bewegungsdaten. Sollten E-Scooter in Zukunft noch mit weiterer Hardware ausgestattet werden – wie Kameras oder anderer Sensorik – können sie ergänzende Daten für die autonomen Shuttles bieten. So ließen sich beispielsweise innerstätische Unfälle, Straßensperren oder andere routenrelevanten Informationen automatisiert melden. Aber auch andere alternative Informationen, die für den Betrieb benötigt werden lassen sich so rückmelden: Beispielsweise die Mobilfunkabdeckung oder Qualität des Mobilfunknetzes.
Bei Datenbedarfen dieser Art, kann die nächste Generation der E-Scooter mit entsprechender Sensorik ausgestattet werden, da die Konnektivität und Basis zur Datenübertragung bereits gegeben ist. Im Gegenzug könnten autonome Shuttles beispielsweise ein Service Team informieren, wenn sie an E-Scootern vorbeifahren die beschädigt sind oder falsch parken.

 

5. Betrieb und Service von E-Scootern

Dies führt zum nächsten Thema. Dem Betrieb und Service von E-Scootern. Aktuell gibt es ganze Sammlerteams, die sich um das Laden und Warten der E-Scooter kümmern. Diese Service Strukturen könnten genutzt und ausgebaut werden, um die autonomen Shuttles ebenfalls zu warten – z.B. zur Reinigung oder für die Funktionskontrolle. Hier könnten sich gute Synergieeffekte ergeben oder der Service für die autonomen Shuttles effizient an die E-Scooter Betreiber übergeben werden. Mobility Hubs oder Wartungsstationen ließen sich für beide nutzen und damit dafür sorgen, dass die E-Scooter wie auch autonome Shuttles möglichst wenig Standzeiten haben und eine bessere und stabilere Auslastung des Hubs oder Wartungsstationen erreicht werden kann. Je höher die Auslastung der bestehenden Flotte ist, desto rentabler ist das Geschäftsmodell.

 

6. App- und Backend-Erfahrungswerte der Verleiher von E-Scootern nutzen

Basis eines jeden E-Scooter Verleihs ist die Handy App und das dazugehörige Backend System. Auch hier können Betreiber von autonomen Shuttles von den E-Scooter Verleihern lernen. Neben der Frage, wie ein gutes User Interface Design in der App aussehen muss, können auch Erfahrungswerte aus anderen Kundenprozessthemen übernommen werden. Beispielsweise über die Nutzung von Zahlungsmitteln, Länderspezifika in der Abrechnung der Dienste, Rabattsysteme oder Refundprozesse. Aus unserer langjährigen Erfahrung in Subscription Management Projekten sind dies häufig unterschätzte Themen, die in der Backend Implementierung frühzeitig berücksichtigt werden müssen. Viele Verleiher von E-Scootern experimentieren mit unterschiedlichen Abrechnungsmodellen, die aber jeweils auch verschiedene Implementierungen im Backend voraussetzen, wie im nächsten Absatz aufgezeigt wird.

 

7. Sinnvolle Abrechnungsmodelle anbieten

Wir wissen aus dem Bereich Connected Mobility: Die Wahl der Bezahlung des Fahrdienstes ist entscheidend für dessen Nutzung. Hier bieten Verleiher von E-Scooter aktuell unterschiedliche Modelle an. Aber wie funktionieren diese Abrechnungsmodelle und wie werden sie von den Verbrauchern angenommen?
Zunächst ist ein Mix aus den unterschiedlichsten Modellen möglich. Antritts- oder Reservierungsgebühren pro Fahrt, Abrechnung per Zeit oder Strecke, Verbrauch der benötigten Energie sowie unterschiedliche Flatrate Modelle. Hinzu können noch unterschiedliche Rabattstrategien oder Special Events wie der Black Friday kommen.

Bei den E-Scootern kann man aktuell beispielsweise zwischen unterschiedlichen Zahlungsarten wählen. Einheitlich ist zurzeit bei allen Sharing-Anbietern die sogenannte Entsperrgebühr. Sobald ein E-Scooter freigeschalten wird, ist bereits ein Euro fällig. Anschließend wird pro Minute abgerechnet. Wie viel pro Fahrminute bezahlt werden muss, hängt davon ab, in welcher der sechs deutschen Städte, in denen Lime vertreten ist, man unterwegs ist. Für den Lime E-Scooter beträgt der Minuten-Preis zurzeit je nach Stadt 20 oder 25 Cent. Es werden jedoch auch Flatratemodelle angeboten, bei denen die Entsperrgebühren pro Fahrt entfallen.

Mit diesen Informationen bezüglich der Nutzung können schon einmal User Acceptance und Präferenzen ermittelt werden. Des Weiteren können Nutzer und Nutzerinnen zwischen verschiedensten Zahlungsmitteln wählen. Einer der Hauptkosten sind die initialen Kreditkartengebühren, die für die Mikrotransaktionen erhoben werden. Hier gilt es Alternativen zu evaluieren. Fest steht: Die klassischen Fahrkartenautomaten, bei denen eine bestimmte Zone für einen festen Betrag gekauft werden, kann werden früher oder später verschwinden. Die Zukunft sind dynamische und innovative Preismodelle, die auf einer minutengenauen aktuellen Auslastung der Fahrzeuge basiert, wie z.B. bei Uber.

 

8. Gemeinsame Nutzerbasis

Neben den GPS-Daten ist der größte Asset, den die Verleiher von E-Scootern den Betreibern von autonomen Shuttles bieten können, wahrscheinlich die Übernahme der bestehenden Nutzerbasis. Die Zielgruppe nutzt bereits die Sharing Infrastruktur und hat hiermit keine Berührungsängste mehr. Die Kunden und Kundinnen kennen bereits die Prozesse, haben ihre Zahlungsinformationen hinterlegt und müssen keine neuen Apps installieren. Sie sind gewohnt NFC oder QR Codes zur Registrierung zu nutzen und besitzen die benötigten Endgeräte. Für die Betreiber von E-Scootern kann dies auf der anderen Seite bedeuten, dass diese Werbung vergütet wird und bei Shuttle Nutzern bevorzugt das Netzwerk des E-Scooter Betreibers beworben wird.

 

Wieso beschäftigt sich doubleSlash mit autonomem Shuttlen und E-Scootern?

Das Thema E-Scooter und autonome Shuttles berührt viele Themen, die wir bei doubleSlash als Connected Mobility Experten seit Jahren mit unseren Automotive Kunden wie BMW, Porsche oder der ZF AG umsetzen. Dabei kann man sehr deutlich sehen, dass die folgenden Themen in der Konzeption und dem späteren Betrieb besonders wichtig sind:

  1. Das Interface muss ansprechend und einfach nutzbar sein. Sowohl in Bezug auf UX mit einer ansprechenden User Interaktion, als auch durch kurze Latenzzeiten und Real-Time Data. Ziel muss eine minimale Eintrittshürde sein, die durch einen einfachen Login Prozess und eine simple Abrechnung geschaffen werden kann.
  2. Bei der Backendimplementierung gilt es insbesondere folgende Punkte verstärkt zu betrachten:
    a. Sauberes API Design, um eine Integration mit anderen Mobilitätsteilnehmern zu ermöglichen. Eine Integration in andere Mobilitätsökosysteme muss einfach und schnell möglich sein und SLA-tauglich gestaltet werden. Das Backend muss auch in der Lage sein, anderen Schnittstellen wie Infrastrukturprovider anzubinden.
    b. Die Speicherung und Verarbeitung von anonymisierten Massendaten, insbesondere GPS und die Auswertung dieser sollte von Anfang konzeptionell vorgesehen sein.
    c. Skalierbare IT Plattformen, z.B. basierend auf AWS und Azure, müssen auch zu Stoßzeiten in der Lage sein, Kundenprozesse die im Backend angestoßen werden schnell und fehlerfrei abzuarbeiten.
  3. Ein funktionales Billing und Payment Backend, dass die verschiedensten Pricing-Optionen, Abomodelle und Abrechnungsstrategien flexibel abdecken kann, muss als Showstopper frühzeitig ausgeschlossen werden.

 

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Quellen:

[1] ZF und DB Regio entwickeln autonome Shuttles für den ÖPNV | heise online

[2], [3] Hype um E-Scooter steht vor dem Ende (automotiveit.eu)

[4] E-StehScooter-Anbieter schätzen im Rhein in Köln versenkte Scooter auf rund 100 | heise Autos

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