ChatGPT & Mercedes-Benz: Innovation und Erfolg in Deutschlands digitalen Fahrzeugdiensten

26.07.2023

Die Automobilindustrie ist eine Branche, die sich ständig weiterentwickelt und in der neuartige Innovationen die entscheidenden Schachzüge im Kampf um Marktsegmente entscheidend sein können. In diesem lebendigen Szenario ist das Software-Defined Vehicle ein omnipräsenter Begriff.

Ein leuchtendes Beispiel für Software-Defined Vehicles und diese fortschreitende Transformation ist die Integration von ChatGPT, einem KI-gesteuerten Chatbot, in Mercedes-Benz Fahrzeuge. Die Integration eröffnet dabei Möglichkeiten, die Erfolgsfaktoren – im Bereich der digitalen Dienste im Fahrzeug zu analysieren und daraus zukünftige Trends abzuleiten.

 

 

Mercedes-Benz ruft Early Adopter auf: Betaphase für ChatGPT-Integration in den USA rollt an

Am 16. Juni 2023 startet eine Betaphase für Kundinnen und Kunden in den USA, deren Modellreihen mit dem Infotainmentsystem MBUX ausgestattet sind. Das sind über 900.000 Fahrzeuge. Mercedes-Benz integriert ChatGPT über den Azure OpenAI Service und nutzt damit die Möglichkeiten der Cloud- und KI-Plattform von Microsoft. Mercedes-Benz möchte US-Kundinnen und Kunden mit dem voraussichtlich dreimonatigen Betaprogramm die Möglichkeit geben, als Early Adopter die neuesten Technologien in ihren Fahrzeugen auszuprobieren.1

 

Zeit ist Geld: Deutsche Automobilhersteller beschleunigen Innovation und Time-to-Market

Die Integration von ChatGPT in Mercedes-Benz Fahrzeuge ist ein gutes Beispiel dafür, dass deutsche Automobilhersteller in der Lage sind, schnell und effizient auf neue Trends oder Technologien zu reagieren. Im Vergleich zu vergangenen Zeiten, in denen die Entwicklung und Implementierung neuer Technologien im Fahrzeug oft Jahre oder Fahrzeuggenerationen dauerte, hat sich damit die Time-to-Market deutlich verbessert. Jetzt setzen sie Innovationen schneller um und bieten ihren Kunden ein zeitgemäßes Fahrerlebnis.

 

Software im Rampenlicht: Umdenken in der deutschen Automobilindustrie

In der Vergangenheit wurden deutschen Automobilherstellern oft für ihre übermäßige Fokussierung auf Hardware kritisiert. Die allgegenwärtigen Spaltmaße wurden hier immer wieder als Beispiel angeführt, während die Software im Vergleich zu Unternehmen wie Tesla als veraltet oder qualitativ minderwertig angesehen wurde. Die schnelle Integration von ChatGPT signalisiert jedoch einen Wandel in dieser Denkweise. Die Integration von ChatGPT in eine (bestehende) Fahrzeugflotte erfordert eine Reihe von spezifischen IT-Kompetenzen, die ein OEM beherrschen muss.
Früher hätte man wahrscheinlich ein Expertenteam mit spezifischen Kenntnissen in den Bereichen Künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen, Natural Language Processing und Cloud-Computing zusammentrommeln müssen, um einen ChatBot ähnlich wie ChatGPT von Grund auf neu entwickeln und die volle Kontrolle über die Entwicklung zu behalten. Nach jahrelanger Entwicklung hätte eine lange Absicherungsphase begonnen, um dann die Software in eine neue Baureihe einzubauen und als hochpreisige Sonderausstattung für eine kleine Zielgruppe anzubieten – während der Hype um den Trend wahrscheinlich schon längst vorbei gewesen wäre.

 

Statt Eigenentwicklung sind API Integration Skills gefragt

Bei der Integration von ChatGPT hat man einen anderen Weg gewählt. ChatGPT hat bereits in beeindruckenden Beispielen die umfassende Kompetenz bewiesen und bietet eine API (Application Programming Interfaces) zur Nutzung an. Statt sich auf eine Eigenentwicklung zu konzentrieren, hat man sich dafür entschieden, den bestehenden Funktionsumfang via API zu nutzen. Dafür sind vor allem Kenntnisse in der Integration von APIs erforderlich, um die Kommunikation zwischen dem Fahrzeug und dem Backend des ChatBots zu ermöglichen. Dieser Ansatz ermöglicht es, anstelle eines großen Teams von KI-Experten (die deutlich rarer sind als die Fähigkeit eine API zu integrieren) mit der (jahrelangen) Entwicklung zu beauftragen.

 

Die Säulen erfolgreicher API-Integration: Flexibilität, Sicherheit und Performance

Hierzu muss aus technischer Sicht die IT-Architektur flexibel genug sein, um eine schnelle Integration von fremden APIs zu ermöglichen. Dafür bedarf es einer modernen Microservices-Architektur und vor allem einer robusten API-Management-Plattform. Eine gute API-Management-Plattform ist entscheidend für den Erfolg von digitalen Initiativen in der Automobilindustrie. Sie ermöglicht Unternehmen eine effiziente Integration, Verwaltung und Überwachung von APIs. Eine gute API-Management-Plattform zeichnet sich durch Folgendes aus:

 

  • Skalierbarkeit: Die Plattform sollte in der Lage sein, mit dem Unternehmen und der Flottengröße zu wachsen und eine große Anzahl von APIs und Anfragen zu verarbeiten sowie dabei die Verwaltung verschiedener Versionen einer API zu unterstützen, um eine kontinuierliche Weiterentwicklung zu ermöglichen. Ein leistungsfähiges API-Gateway ist wichtig, um einerseits die zuverlässige Kommunikation zwischen Millionen von Fahrzeugen, andererseits aber auch Schnittstellenpartnern oder Providern zu garantieren.
  • Sicherheit: Robuste Sicherheitsfunktionen sind entscheidend, um die APIs vor Bedrohungen zu schützen und die Datenintegrität zu gewährleisten. Hierzu müssen APIs z. B. schnell und einfach zu aktualisieren sein.
  • Performance-Monitoring und Customer-Insights: Funktionen zur Überwachung der Leistung und zur Fehlerbehebung sind wichtig, um die Qualität der APIs zu gewährleisten. Des Weiteren werden Funktionen zur Analyse der API-Nutzung benötigt werden, die wertvolle Einblicke liefern und zur Verbesserung der APIs beitragen.

 

Diese Aspekte gelten nicht nur für die Integration einzelner APIs, sondern sollten als kontinuierlicher Prozess verstanden werden, um Qualität und Leistung der APIs langfristig zu gewährleisten. Neben der technischen Basis sind auch fachliche Prozesse wie das Service-Level-Management (SLA) von Bedeutung. Dies gewährleistet eine schnelle Integration eines Service Providers und einen stabilen Betrieb auf Dauer.

 

Beta – Zeichen des Fortschritts

Die Veröffentlichung von Mercedes‘ Dienst als „Beta“ hat Branchenexperten durchaus überrascht. Eine Beta-Version bezeichnet den Entwicklungsstand einer Software, bei dem bereits einige neue Funktionen implementiert sind, aber die Entwicklung eines Releases noch nicht abgeschlossen ist.
Es ist bemerkenswert, dass ein deutscher Premium Automobilhersteller seinen Dienst als „Beta“ labelt, da bisher der Fokus auf die Veröffentlichung fehlerfreier, funktional umfangreich getesteter Fahrzeuge gelegt wurde. Die Devise lautet bisher inoffiziell, dass ein deutscher Premiumhersteller von hochpreisigen Fahrzeugen kein „Beta“-Label tragen kann.

 

Wechsel hin zu einem agilen Mindset entscheidend für Innovationen.

Die Verwendung des Begriffs „Beta“ in der Automobilindustrie, der eigentlich aus der Softwarewelt stammt und nicht aus den klassischen Modellen wie dem V-Modell oder Automotive Frameworks wie SPICE, zeigt einen deutlichen Wandel hin zu einem agilen Software-Mindset. Dieser Wandel geht einher mit dem Einsatz etablierter agiler Frameworks wie z. B. Scrum bzw. im größeren Kontext SAFE. Dies ermöglicht es Unternehmen, schnell auf Veränderungen zu reagieren und neue Trends sowie Technologien effizient in ihr Portfolio zu integrieren – sei es auf Kundenwunsch oder zur Steigerung des Wettbewerbsvorteils. Neben dem agilen Framework, das viele Automobilhersteller inzwischen zu Entwicklungen im Backend besitzen, ist aber der konsequente Wechsel des Mindsets noch wichtiger:

 

  • Innovation bedeutet immer häufiger nicht selber innovativ zu sein, sondern ein Ökosystem bereitzustellen, in dem Innovationen von 3rd-Parties sich möglichst schnell integrieren lassen – sei es ChatGPT, TikTok oder eine andere bestehende Applikation. Kunden möchten die vertraute Applikation, die aktuell vll. gerade ein Hype erfährt oder in den Augen des Kunden einen Vorteil bietet, möglichst schnell im Fahrzeug nutzen. Sie möchten keinen selbst entwickelten Clone, der Jahre später mit einem abgespeckten Funktionsumfang als Sonderausstattung für eine gewisse Fahrzeuggeneration verfügbar ist.
  • Es gilt, die Strahlkraft innovativer Marken (wie in diesem Beispiel ChatGPT) zu nutzen, um selbst als innovativ wahrgenommen zu werden. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass neue Software genauso schnell verschwinden kann, wie sie gekommen ist – selbst nur zwei Jahre später. Letztendlich entscheidet der Kunde, welche Applikation im Fahrzeug einen Mehrwert bietet und gewünscht ist. Der OEM muss entscheiden, ob dies per Eigenleistung oder per Integration von Drittanbietern möglich ist (vor allem unter starker Berücksichtigung der „Time-to Market“).

 

Entkopplung von Hardware und Software: Durch APIs, Schnittstellen und die bestehende moderne Hardware im Fahrzeug wird es möglich, dass, bisher unbekannte Features „over-the-air“ bereitzustellen. Und das sogar in Bestandsfahrzeugen (!) auszurollen.

 

ChatGPT-Integration und der Einfluss auf Subscriptions

Im vergangenen Jahr haben verschiedene Automobilhersteller Produkte als Subscriptions gelauncht. Mercedes-Benz bietet die erweiterte Hinterradlenkung u.A. in der S-Klasse für 499 € pro Jahr an, während BMW die Sitzheizung als monatliche Nachbuchungsoption anbietet. Doch nicht nur die Sitzheizung, auch der Fernlichtassistent oder der Driving Assist können ebenfalls als Subscription flexibel gebucht werden. Die Hersteller erhoffen sich von z. B. monatlichen Subscriptions (mit einem stetigen Revenue Modell) einen lukrativen Markt, analog zum Netflix-Geschäftsmodell.

Das stößt jedoch nicht immer auf Begeisterung seitens der Kunden. Häufig wird kritisiert, dass lediglich bereits vorhandene Hardwareteile wie die Hinterradlenkung oder die Sitzheizung freigeschaltet werden und der Kunde „ja bereits für das Feature beim initialen Kauf des Fahrzeugs bezahlt hat“. Wie entsteht dieser Eindruck? Bei Netflix gibt es monatlich das wechselnde und aktualisierte Angebot der verfügbaren Serien oder neuen Filme. Hier gibt es aus Kundensicht einen monatlichen Feature-Hub bzw. wahrgenommenen Mehrwert, der die monatliche Subscription rechtfertigt. Wenn man jetzt eine Fahrzeugplattform monatlich als Subscription anbietet, dann käme es mit der monatlichen Integration von neuen digitalen Diensten zu einem echten Feature-Hub, der die Subscription aus Kundensicht ebenfalls rechtfertigen könnte. Digitale Dienste, wie z. B. die ChatGPT Integration in das Fahrzeug, sind hier ideal, um den Kunden positiv zu überraschen und vom Subscription Business Modell zu überzeugen.

 

Fazit und Erfolgsfaktoren

Die erfolgreiche Integration von ChatGPT in Mercedes Benz Fahrzeuge hängt somit von einer Reihe von Faktoren ab.

 

  • Eine enge Zusammenarbeit mit Technologiepartnern, die Funktionalitäten via API anbieten.
  • Das Know-How, fremde APIs schnell technisch in eine bestehende Plattform bzw. bestehendes Ökosystem zu integrieren.
  • Das Know-How, 3rd Parties Onbording Vertragsgestaltung schnell zu ermöglichen und kontinuierliches SLA-Management den Betrieb sicher zu stellen.
  • Wechsel im Mindset bzgl. Innovation und Entwicklung von digitalen Diensten im Software-Defined-Vehicle.

 

Die Integration von ChatGPT in Mercedes Benz Fahrzeuge zeigt, dass deutsche Automobilhersteller in der Lage sind, schnell und effizient auf neue Technologien zu reagieren. Sie zeigt auch, dass sie die notwendigen IT-Kompetenzen und eine flexible IT-Architektur haben, um solche Innovationen zu implementieren. Dies ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer digitalen Zukunft der Automobilindustrie und ein Beweis dafür, dass deutsche Automobilhersteller nicht nur in der Lage sind, mit den technologischen Entwicklungen Schritt zu halten, sondern auch, diese aktiv mitzugestalten.
Die erfolgreiche Integration von ChatGPT in Mercedes Benz Fahrzeuge ist das Ergebnis einer Kombination aus technologischer Expertise, agiler Arbeitsweise und einer starken agilen Innovationskultur.
Die Integration von ChatGPT ist jedoch nur ein Beispiel für die Möglichkeiten, die die Digitalisierung für die Automobilindustrie bietet. Um in diesem dynamischen Umfeld erfolgreich zu sein, müssen die Automobilhersteller weiterhin in ihre IT-Kompetenzen investieren und eine flexible IT-Architektur aufbauen, die es ihnen ermöglicht, schnell und effizient auf neue Technologien zu reagieren.

 

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[1] Vorreiter bei ChatGPT im Auto: Mercedes-Benz hebt Sprachsteuerung auf ein neues Level – Mercedes-Benz Media https://media.mercedes-benz.com/article/323212b5-1b56-458a-9324-20b25cc176cb  ^

 

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